Emma - endlich vom Glück umarmt
zur Decke. Inzwischen war es im Zimmer heller geworden, die Morgensonne schien durch die weißen Musselinvorhänge.
Irgendwie musste er entkommen. Weder würde er sich von einer Frau gefangen halten lassen, noch würde er wegen eines unwürdigen Schwächlings wie Bertram Stockton sein Ansehen ruinieren. Dass man ihn als Lebemann und Frauenhelden bezeichnete, nahm er hin, aber er war kein Feigling!
Stockton hatte ihn nicht nur wegen Amy gefordert, nein, er hatte gespürt, wie sehr er, Charles, ihn verachtete. Wahrscheinlich verachtete Stockton sich sogar selbst, weil er es nicht fertigbrachte, sich zu ändern.
Charles konnte das sehr gut verstehen, denn schließlich hatte auch er erst die Hölle durchstehen müssen, bevor er die Kraft fand, ein neues Leben zu beginnen. Nur hatte er seine Familie nicht mit ins Elend gezogen. Ebendas aber war es, was ihm den jungen Stockton so verächtlich machte.
Emma stand zaudernd an der Kammertür. Anfangs war sie angstvoll davor zurückgeschreckt, Charles Hawthorne gefangen nehmen zu müssen, nun jedoch, da er ihr ausgeliefert war, fühlte sie sich seltsam erregt. Sie spielte ein gefährliches Spiel.
Unbehaglich betrachtete sie das beladene Tablett in ihren Händen. Sie würde ihn füttern müssen, denn sie konnte den Mann nicht hungern lassen, aber auch nicht riskieren, ihn loszubinden.
Als sie die Tür aufstieß, lag er immer noch auf dem Bett. Zwischen den Zähnen hielt er einen Fetzen ihres Strumpfes. Offensichtlich hatte er seine Befreiungsversuche fortgesetzt. Verlegen blickte sie fort, stellte das Tablett auf einem Tischchen ab und sagte bewusst sachlich: „Hier ist etwas zu essen.“
Er spuckte den Stoff aus. „Ich kann mich im Moment leider nicht selbst bedienen.“
„Ich werde Sie füttern.“
Andächtig fragte er: „Tatsächlich?“
Sein Tonfall ließ ihre Haut wie von Nadelstichen prickeln, sodass sie sich ermahnen musste, nicht so albern zu reagieren. Er war hilflos, auch wenn der dunkle Bartschatten, der sich auf seinem Kinn zeigte, ihn gefährlich aussehen ließ. Außerdem mochte sie den Mann nicht einmal! Trotzdem hörte das Prickeln nicht auf.
„Ja, ich werde Sie füttern. Ich will Sie nicht der Peinlichkeit aussetzen, von der Dienerschaft gefüttert zu werden, deshalb versorge ich Sie. Das ist alles.“
„Vermeidung von Peinlichkeiten, sonst nichts.“ Doch sein Lächeln sagte, dass er ihre Fürsorge genießen werde.
Himmel, dauernd errötete sie vor diesem Menschen! Es war nicht die beste Idee, ihn eigenhändig zu versorgen, doch leider ging es nicht anders. Unwillig zog sie den Tisch mit dem Tablett näher ans Bett, nahm eine Serviette und breitete sie über Charles Hawthornes Brust. Zwar vermied sie es, ihn anzusehen, doch unweigerlich drang ihr sein ganz persönlicher Duft entgegen, der sie immer wieder so sehr verwirrte. Ihr schwindelte ein wenig, sodass sie unwillkürlich Halt suchend eine Hand auf seine Schulter legte. Wie ein Feuerstrahl fuhr es bei dieser Berührung durch ihre Finger. Hastig zuckte sie zurück.
„Ist Ihnen nicht gut?“, fragte er mit rauer Stimme.
„Nein, nein, nur habe ich sehr schlecht geschlafen.“ Die lahme Ausrede musste über ihre wahren Gefühle hinwegtäuschen. Die sie sowieso nicht haben durfte, haben wollte. „Hier, ich habe Ale mitgebracht. Wollen Sie trinken?“
„Binden Sie mich los.“
„Sie würden mir davonlaufen. – Kommen Sie, heben Sie den Kopf.“
„Oh, allein bekomme ich ihn nicht hoch genug. Sie müssen mir helfen.“ Er lächelte boshaft und herausfordernd.
„Ich muss gar nichts, Mr. Hawthorne. Aber ich könnte mich überreden lassen.“
„Besonders, da ich meine Behinderung Ihnen verdanke, Ms. Stockton.“
Wortlos hob sie den Becher an seine Lippen, bis er ihr bedeutete, dass er genug hatte. Als sie sah, dass seine Oberlippe mit Schaum bedeckt war, nahm sie einen Zipfel der Serviette, beugte sich zu ihm und tupfte ihm die Lippen ab. Noch nie war sie ihm so nah gewesen und spürte, dass ihr Körper intensiver auf ihn reagierte als neulich beim Walzertanz. Es zuckte ihr in den Fingern, über die schwarzen Bartstoppeln an seinem Kinn zu streichen, die ihm ein so verwegenes Aussehen gaben. Schnell wandte sie sich ab.
Nur mühsam brachte sie hervor: „Gewiss haben Sie das Verlangen nach einer Rasur.“
„Sie können mich rasieren.“
Sie keuchte auf. „Wahrscheinlich würde ich Ihnen die Kehle aufschlitzen.“
Er schmunzelte. „Und dann hätten Sie ein schlechtes
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