Emma - endlich vom Glück umarmt
Gewissen?“
„Das hätte ich bei jedem, dem ich wehtue.“
„Natürlich.“
Der sanfte, sinnliche Ton dieses einen Wortes ließ sie erschauern. Ohne weiter auf die Plänkelei einzugehen, fragte sie: „Möchten Sie Brot?“
„Füttern Sie mich.“
Warum nur empfand sie seine Worte als zweideutig? Sie musste immer noch von dem Anblick verwirrt sein, den er bei ihrem Eintritt geboten hatte. Ihre Verlegenheit überspielend, schob sie ihm resolut ein Stück des gebutterten Brotes in den Mund, obwohl ihre Finger bebten, als sie seine Lippen berührte.
Er aß und schluckte und sah ihr dabei unverwandt in die Augen. Plötzlich sagte er: „Küssen Sie mich.“
Sie konnte den Blick nicht abwenden. Sie müsste nichts anderes tun, als sich vorzubeugen, ganz einfach … Und genau das tat sie, nur eine Spanne noch trennte ihrer beider Lippen, sein Atem schien auf ihrer Haut zu brennen. Er rührte sich nicht. Und dann küsste sie ihn, presste ihren Mund auf den seinen, fester und fester, verwundert, dass er ihr die Initiative überließ. „Ich weiß nicht …“, hauchte sie, doch unvermittelt spürte sie, wie er die Lippen öffnete und mit der Zunge die Umrisse ihres Mundes nachzog. Ihr Herzschlag stockte, setzte dann in rasendem Tempo wieder ein und trieb ihr das Blut heiß wie kochende Lava durch ihre Adern.
Es fehlte nicht viel, und sie wäre verloren, das wusste sie. Sie löste sich von ihm und sagte erstickt: „Ich bin keine leichtfertige Frau.“
„Sie sind eine begehrenswerte Frau“, flüsterte er. „Ich will Ihnen zeigen, was Leidenschaft ist. Küssen Sie mich noch einmal.“
11. KAPITEL
Emma ließ den Rest des Brotes los, das sie unbewusst immer noch umklammert hatte. Zitternd amtete sie ein. „Nein.“
„Haben Sie Angst?“
Ehe sie nachdenken konnte, entschlüpfte ihr die Antwort. „Ja.“
„Und nicht grundlos.“
Sie konnte den Blick nicht von Charles Hawthorne wenden. „Wirklich?“
„Wirklich, Emma Stockton.“
So verlockend war sein sinnliches Lächeln, dass sie nicht anders konnte, als zu flüstern: „Warum?“
„Weil es mir ernst war, als ich Sie bat, meine Geliebte zu werden. Emma, ich begehre Sie.“
Verblüfft starrte sie ihn an. Sie konnte es nicht glauben! Er konnte jede Frau haben, wenn er nur mit dem kleinen Finger winkte. Sein Angebot konnte nur der pure Hohn sein – unzumutbar! Ihr Stolz half ihr, Haltung zu wahren. Eisig sagte sie: „Sie scherzen.“
„Nein, so etwas frage ich nicht, wenn ich es nicht ernst meine.“
„Ebenso machen Sie nie einen Heiratsantrag.“
„Sie würden mich nicht heiraten, selbst wenn ich Sie darum bäte.“ Er sah ihr fest in die Augen und fügte ironisch hinzu: „Weil ich nicht reich genug bin, die Schulden Ihrer Familie einzulösen. Und weil ich ein Lebemann mit lockerem Lebenswandel bin, nicht wahr?“
„Gewiss.“ All das stimmte, warum also schmerzte sein ungehöriges Angebot sie so sehr?
„Sehen Sie! Wenn Sie schon mein Angebot nicht annehmen, küssen Sie mich wenigstens noch einmal.“
Seine Lippen lockten wie eine verbotene Frucht. Einen Moment war sie versucht, alles zu vergessen und nur zu genießen. Immerhin hatte sie doch beschlossen, sich häufiger zu vergnügen. Doch sie widerstand. Jäh erhob sie sich. „Ich habe zu tun.“
„Emma …“
Während sie hinauseilte, fragte sie sich, was quälender war, sein Spiel mit dem Feuer, das er in ihr entfachen konnte, oder die Tatsache, dass sie gerade davor weglief.
Sie war wirklich ein dummes Ding.
Als Gordon zu ihr trat, überlegte Emma gerade, wen sie mit einer Mahlzeit zu Mr. Hawthorne schicken könnte. Sie selbst wagte es nicht mehr, sie konnte unmöglich noch einmal mit dem Mann allein sein. Selbst jetzt noch brannten ihre Lippen von seinem Kuss.
Fragend sah sie den Butler an.
„Ms. Emma, da verlangt ein Individuum nach Ihnen. Der Mann sagt, Sie kennen ihn. Sein Name ist Stoner.“
Emma erbleichte. „Stoner?“
„Ja, Miss, ein riesiger Bursche, wie ein Bär; er sieht aus, als käme er aus dem Boxring.“
Die Knie wurden Emma weich, sie sank auf einen Stuhl nieder. Was sollte sie nur tun? Hätte sie sich nicht denken können, dass so etwas passierte? Natürlich hatte der Mann gewusst, von wem der Brief an seinen Herrn kam. Bestimmt hatte er David wiedererkannt. Sie musste nachdenken. „Bring ihn in den Kleinen Salon. Sag ihm, er soll warten. Ich werde gleich kommen.“
Emmas Gedanken rasten. Unmöglich konnte sie Stoner auch noch betäuben, außerdem
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