Emma - endlich vom Glück umarmt
stets schien er gegenwärtig – selbst in ihren Gedanken. Er stellte eine Komplikation dar, süß und bitter zugleich. Im einen Moment wünschte sie ihn zum Kuckuck, im anderen sehnte sie sich danach, ihn nie wieder gehen zu lassen. Welch ein Wirrwarr!
Charles verharrte auf der Terrasse, bis die Rötung auf seiner Wange abgeklungen war. Über die Stocktons wurde schon genug geklatscht. Bertram nach draußen zu zerren war unüberlegt gewesen, aber in dem Moment schien es ihm die einzige Möglichkeit, den Burschen von weiteren schweren Verlusten abzuhalten.
Als er nach einer Weile zurück in den Salon schlenderte, wurde dort trotz der späten Stunde immer noch gespielt. Er lächelte dem einen oder anderen der Herren freundlich zu, dachte dabei jedoch nur an Emma. Aus eigener, bitterer Erfahrung wusste er, dass sie auf verlorenem Posten kämpfte.
Am folgenden Nachmittag machte Emma sich besonders sorgfältig zurecht. Sie wählte das lavendelfarbene Kleid, das ihrem Teint schmeichelte, und zupfte ein paar Strähnen aus ihrem aufgesteckten Haar, die in weichen Löckchen ihr Gesicht einrahmten. Als sie im Spiegel erkannte, wie bleich sie aussah, kniff sie sich rasch in die Wangen, um ihnen ein wenig Farbe zu verleihen.
Unversehens begann sie zu zittern, selbst ihre Lippen bebten, und die Hände wurden ihr feucht. Ihre Augen glänzten verdächtig, nicht vor Aufregung, redete sie sich ein, sondern vor Furcht.
Und wenn Charles ihr eine Abfuhr verpasste?
Wenn er sie abwies, wäre sie unendlich gedemütigt.
Und falls nicht, wäre sie ruiniert.
Nach einem letzten Blick in den Spiegel begab sie sich in die Gesellschaftsräume, wo sie von Salon zu Salon schlenderte. Sie suchte Charles Hawthorne. Wenn er nur nicht zur Jagd oder zum Fischen aus war! Dann müsste sie ihr Vorhaben verschieben. Nervös beschleunigte sie ihren Schritt.
Nach einer Stunde ließ sie enttäuscht die Schultern sinken, ihre angespannte Haltung löste sich, doch das lange Warten steigerte ihre Furcht ins Unermessliche. Was war, wenn sie ihn am Abend nicht im Vertrauen sprechen konnte, wenn ständig jemand in der Nähe war?
Niedergedrückt begab sie sich in die abgeschiedene Laube, in der sie sich am Morgen mit Charles Hawthorne aufgehalten hatte, und setzte sich angespannt auf die Kante der Bank. Rastlos verschränkte und löste sie ihre Finger, während sie sich wieder und wieder leise ihren eingeübten Text vorsprach. Machen Sie mich zu Ihrer Geliebten. Konnte sie das so sagen? Sollte sie ‚bitte‘ hinzufügen? Oder sich geben, als bestünde kein Zweifel an seiner Zustimmung?
Wie unendlich peinlich, wenn er ablehnte! Sie hatte sich nie als schön oder verführerisch angesehen, doch sie musste sich eingestehen, dass die letzten Tage, während deren Charles sie so hartnäckig verfolgte, ihr das Gefühl gegeben hatten, anziehend zu sein. Wenn er sie zurückstieß, wäre das schmerzlicher, als sie sich eingestehen mochte. Und wenn er zustimmte? Allein der Gedanke ließ ein erregtes Prickeln durch ihre Glieder fahren. Wie würde es sein, das zu tun? Als sie mit Charles’ Bruder verlobt war, hatte sie diesen Aspekt kaum erwogen. Nun fühlte sie allein bei der vagen Vorstellung Hitze in sich aufsteigen.
„Ms. Stockton?“ Mr. Helmsleys tiefe Stimme störte ihre Versunkenheit.
Erschreckt sprang sie auf.
„Mr. Helmsley“, sagte sie atemlos. „Ich hörte Sie nicht kommen.“
Er lächelte gütig. „Sie waren sehr versunken, und nach ihrer Miene zu urteilen, dachten Sie an sehr angenehme Dinge.“
Emma hätte angenommen, unbehaglicher könnte sie sich nicht mehr fühlen, doch bei den Worten schoss ihr die Röte ins Gesicht. Mit einer gespielt lässigen, abwehrenden Geste sagte sie: „Ach, es war nicht von Bedeutung.“
„Dann darf ich hoffen, dass Sie mir einen Augenblick Gehör schenken?“ Seine Augen leuchteten bewundernd.
Ahnungsvoll erhob sie sich, um sich ihm, der vor ihr stand, nicht so ausgeliefert zu fühlen.
„Gewiss, Mr. Helmsley.“
„Wollen Sie sich nicht wieder setzen?“ Er zog ein Taschentuch hervor und staubte damit den steinernen Sitz ab.
Hätte sie doch nur eine Ausrede vorgeschoben! Nach dieser fürsorglichen Geste konnte sie ihn unmöglich fortschicken. Sie sank auf die Bank zurück, und er setzte sich dicht neben sie. Bedauernd seufzte sie. Weder spürte sie, dass imaginäre Funken zwischen ihnen stoben, noch feurige Hitze oder die Irritation einer aufreizenden Persönlichkeit.
Er räusperte sich bedeutsam. „Ms.
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