Emma und der Rebell
»Zum Donnerwetter, Fulton – wirst du mir jetzt endlich zuhören?«
Er fuhr
sich mit der Hand durch sein sonst so ordentlich frisiertes Haar. »Na schön,
Emma«, sagte er seufzend. »Ich höre.«
»Du wirst
bestimmt schon wissen, daß ich heute mit Steven Fairfax zu einem Picknick auf
der Insel war ...«
Fulton
nickte. »Ja, das weiß ich.«
Emma kaute
nervös an ihrer Unterlippe, während sie nach den richtigen Worten suchte, um
Fulton die Wahrheit zu gestehen und ihn gleichzeitig zu veranlassen, sie in
Zukunft in Ruhe zu lassen, ohne unfreundlich zu sein. »Also weißt du, Mr.
Fairfax und ich, wir haben viel geredet, und ... na ja, da war dieses
Margeritenfeld ...«
Fulton
schaute ihr nicht ins Gesicht, sondern auf ihren Busen, und Emma hätte schwören
können, daß er ihr auch nicht zuhörte. »Margeriten?« fragte er mit abwesendem
Gesicht.
Emma hörte
die Musik und das Stimmengewirr hinter der Korridortür und fragte sich, ob
Steven wieder mit Joellen tanzen mochte oder irgendwo in der Nähe wartete.
»Du
brauchst mir nicht zu sagen, was geschehen ist«, sagte Fulton plötzlich leise
und strich mit dem Zeigefinger über den Puls an Emmas Kehle. »Ich habe es
längst erraten.«
11
»Du hast
es erraten?« Emma war nicht wirklich überrascht; wahrscheinlich wußte
inzwischen längst die ganze Stadt Bescheid. Es war nur Fultons gelassene Miene,
die sie so verblüffte.
Er schien
weder empört noch verärgert, sondern schaute sie nur ganz ruhig und fragte: »Du
und dieser Revolverheld?« Emma wandte das Gesicht ab und nickte. »Ja.«
»Auf der
Insel ... heute?«
Allmählich
begann Emma die unterdrückte Wut zu spüren, die sich hinter seinem gelassenen
Verhalten verbarg. »Ja«, sagte sie noch einmal und schluckte nervös. Sie hatte
wirklich kein Verlangen,
Fulton zu verletzen, aber andererseits war es ja auch nicht so, als besäße er
irgendwelche Rechte über sie.
Ganz
unvermittelt ergriff er ihre Hand, aber es war keine tröstende oder beruhigende
Geste. Er preßte ihre Finger so hart zusammen, daß ihre Knöchel weiß
hervortraten und ein stechender Schmerz ihren Arm durchfuhr.
»Warum?«
stieß Fulton hervor. »Warum hast du ihn ... warum durfte er dich haben, während
du mir all diese Zeit kaum erlauben wolltest, deine Hand zu halten? Emma, wir
sehen uns nun schon seit Monaten, – und erst vor ein paar Tagen hast
du dich zum ersten Mal von mir küssen lassen!«
Vergeblich
versuchte sie, sich ihm zu entziehen. »Du tust mir weh«, flüsterte sie.
»Sag
mir, warum!« herrschte
er sie an und verstärkte den Druck um ihre Hand, bis Emma glaubte, vor
Schmerzen ohnmächtig zu werden.
»Weil ich
ihn liebe!« rief Emma aus lauter Verzweiflung und auch aus Angst. »Bitte,
Fulton – laß mich los!«
Er gab ihre
Hand frei, aber erst nachdem er noch einmal kräftig zugedrückt hatte. »Du
liebst ihn«, sagte er fassungslos. »Einen Vagabunden, Rebellen – einen Pistolero! Und du sagst, du liebst ihn?«
Emma war zu
verängstigt, um zu antworten oder sich zu bewegen.
»Du
verdammtes ...« keuchte Fulton und packte sie von neuem, aber diesmal um die
Taille, und er riß sie so hart an sich, daß sie sein Verlangen nach ihr spüren
konnte. Aber es war nicht das gleiche Gefühl wie bei Steven. Das hier war beängstigend.
»Fulton!«
flüsterte sie. Ihre Gegenwehr nahm ihre ganze Kraft in Anspruch, so daß sie
nicht einmal mehr laut reden konnte. Er stieß sie gegen die Wand und begann
ihre Röcke hochzuziehen, und Emma hörte einen Moment lang auf, sich gegen ihn
zu wehren, um Atem zu holen und Kraft zu sammeln. Bevor sie jedoch schreien
konnte, bedeckte Fulton ihren Mund mit seinem und drängte seine Zunge zwischen
ihre Lippen.
Wieder war
nichts von der süßen Wärme zu spüren, die sie in Stevens Armen erfahren hatte.
Aber da Emma in einem der rauhesten
Stadtviertel Chicagos aufgewachsen und von einer Frau erzogen worden war, die
sämtliche Gefahren kannte, die einem jungen Mädchen drohen konnte, hob Emma
blitzschnell ihr Knie und stieß es hart in Fultons Unterleib.
Der
Schmerz, der ihn durchfuhr, war so heftig, daß Fulton Emma freigab und sich
stöhnend krümmte. Sie sah, wie er zur Seite taumelte, sich mit einer Schulter
an die Wand lehnte und rasselnd Atem holte. Als er Emma anschaute, stand kalter
Haß in seinen Augen, und sie erschrak, denn so hatte sie ihn noch nie erlebt.
Nie hätte sie auch nur vermutet, daß sich hinter Fultons freundliche Fassade
eine solche Brutalität verbergen
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