Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
auch aus wie etwas, das man nur trägt, weil es vernünftig ist.
»Du siehst bezaubernd aus«, sagte Matt. Er sprach so leise, während der Regen mit voller Wucht herunterprasselte, dass ich ihn fast nicht gehört hatte. Ich sah ihn verwundert an. Die Blätter des Baums hielten dem starken Regen kaum stand. Matts Haar wurde langsam wieder nass, und über sein Gesicht liefen Wassertropfen.
»Du hast mich gehört«, sagte er, meinen Blick erwidernd.
»Danke«, sagte ich und war immer noch verwirrt.
»Ich bin froh, dass ich dich getroffen habe.«
»Oh«, sagte ich unsicher. »Schön. Ja.«
»Ist es dir unangenehm, dass ich so etwas sage?«
»Was? Nein! Ich freu mich natürlich, aber … Na ja, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll …«
»Nichts. Sag einfach nichts.« Dann beugte er sich zu mir und berührte mit seinen Lippen ganz sanft meine Wange. »Irgendwas trägst du mit dir herum«, sagte er mir leise ins Ohr.
Erschrocken über die Nähe ging ich einen Schritt zurück. »Natürlich … Mein Mann ist tot.«
Er sah mich ruhig an. »Nein, das ist es nicht. Da ist etwas anderes. Vielleicht auch Trauer, aber die hat mehr mit dir zu tun als mit einem anderen Menschen.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Hatte er recht damit? Als ich nicht reagierte, hob er fragend die Schultern. »War das ein Schritt zu weit?«
»Nein. Alles in Ordnung«, behauptete ich. Dabei hatte er etwas in mir angestoßen. Aber ich war mir selbst nicht sicher, was ich da gerade fühlte. Eine Trauer, die nicht mit mir zu tun hat, nannte er es. Lag er damit richtig?
Endlich nahm er seinen prüfenden Blick von mir. »Na gut, es klart langsam auf. War wohl nur ein kurzer Schauer. Ich geh dann mal wieder zurück.« Er löste sich von dem Baumstamm und wandte sich in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
»Warte«, rief ich ihm nach. »Ich komme mit. Du verläufst dich sonst noch.«
Lächelnd drehte er sich zu mir. »Da hinten sind schon wieder Häuser. Ich glaube, ich schaffe das.« Er ging weiter, und ich beeilte mich, um ihn zu erreichen.
»Bist du nächstes Wochenende noch hier?« Ich hatte mich für einen Wechsel zu weniger verfänglichen Themen entschieden. »Hoffentlich wird da das Wetter besser sein. Wir planen eine Mittsommerfeier.«
Er überlegte. »An dem Wochenende wollte ich abreisen. Aber ich kann das natürlich ein wenig verschieben.«
»Das wäre schön. Dann darf ich dich als Musik-Act einplanen?«
»Du weißt nicht, wie viel ich koste!« Er grinste.
»Hey, wir Iren sind ein gastfreundliches Volk. Unsere Freundlichkeit muss Bezahlung genug sein«, grinste ich zurück.
»Harter Verhandlungspartner, ich muss schon sagen.« Matt blieb stehen und sah hinunter zur Bucht. Der Regen hatte nun ganz aufgehört.
»Wo fährst du als Nächstes hin? Oder fliegst du wieder zurück nach New York?«
Er hob die Schultern. »Ich habe drei Monate Europa geplant. Bis Ende August werde ich mich hier herumtreiben. Und dann, um meinen Geburtstag herum, fliege ich wieder zurück. Ich habe mir eine Liste gemacht mit Städten, die ich mir ansehen möchte.«
»So spontan bist du?«
»So spontan, ja! Wohl zum ersten Mal seit sehr langer Zeit. Ich habe nur Kinsale geplant. Als erste Station und als Abschluss der Reise.«
»Gute Wahl«, sagte ich lächelnd.
»Ich habe das Gefühl, dass ich jahrelang nichts anderes gemacht habe, als nach einem Stundenplan zu leben. Angefangen in der ersten Klasse. Dann an der Uni. Dann als Musiker.«
»Ach, sag bloß, Musik machen ist Arbeit!« Ich tat überrascht.
Lachend boxte er mir leicht gegen den Arm. »Ich sag nur: Probentermine. Studiotermine. Meetings mit der Plattenfirma. PR-Auftritte. Tourneedaten. Da ist so ein Jahr schnell mal rum, und der Tag hat zu wenig Stunden.«
»Macht es da überhaupt noch Spaß?«
Er nickte. »Genau das ist das Problem. Ich muss mir wirklich überlegen, wie es weitergehen soll. Und ich weiß jetzt immer noch nicht, was du vorhast, wenn du irgendwann nicht mehr hinter der Theke deines Onkels stehen willst.«
»Du lässt nicht locker, hm?«
»Weil ich recht habe. Da ist etwas in dir.«
Ich ging jetzt schneller. »Wenn ich so weit bin, werde ich mich erkundigen, ob ich wieder an der Uni arbeiten kann. Ganz einfach. Man hat mir dort angeboten, dass ich zurückkommen kann. Sie haben meine Stelle bisher nur vorübergehend besetzt, und ich kann relativ kurzfristig einsteigen.«
»Ah ja.« Er klang gelangweilt.
»Du hast doch gefragt, und jetzt interessiert
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