Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
verzweifelt.
»Wie ist es denn dann? Redet endlich mal jemand mit mir? Ralph hat gesagt, mein Vater heißt Frank O’Neill. Also? Stimmt das?«
»Nein. Ich weiß es nicht. Vielleicht weiß Ralph mehr und hat mir nichts gesagt. Aber ich höre diesen Namen zum ersten Mal von dir.«
»Du meinst, du weißt gar nicht, wer …«
»Nein.«
Ich zögerte. »Das glaub ich dir nicht.«
Margaret fing wieder an zu weinen, aber diesmal wandte sie sich nicht von mir ab. »Deine Mutter wollte nicht, dass es jemand erfährt. Wirklich niemand. Mehr kann ich dir nicht sagen!«
Wieder musste ich erst einen Moment darüber nachdenken. Es fühlte sich so falsch an, was sie sagte, und gleichzeitig dachte ich: Das ist meine Großmutter. Ich liebe sie, und sie liebt mich, das weiß ich. Warum sollte sie mich so anlügen?
»Ralph hat behauptet, es sei jemand gewesen, in den Hannah sehr verliebt gewesen war.«
»Kate, bitte. Ich kann dir nicht mehr sagen.« Sie drehte sich um und ging eilig die Treppe hinauf. Dann hörte ich, wie sie die Badezimmertür hinter sich schloss und den Wasserhahn andrehte. Ich wusste, sie würde sich je tzt das Gesicht waschen, um dann mit einem Lächeln zurückzukommen. Ich kannte sie gut genug, um vorhersagen zu können, was sie als Nächstes tun würde. Aber ich traute mir nicht zu, sagen zu können, wann sie log und wann nicht. Es musste ein sehr tiefes Geheimnis sein.
Am selben Tag noch ging ich zu Ralph, um ihn zur Rede zu stellen.
»Frank O’Neill«, sagte ich.
»Wer?«, fragte er verwundert.
»Aha. Damit wäre schon mal einiges geklärt.«
»Wovon redest du?« Er stand in der Küche und schälte Kartoffeln. Mary war nirgendwo zu sehen. Ich war froh, ihn allein erwischt zu haben.
»Mein angeblicher Vater. Der Frank O’Neill.«
»Oh«, sagte er nur und ließ Kartoffel und Schälmesser sinken.
»Warum hast du das getan?«
»Du hast … mich so bedrängt. Ich dachte, ich sage einfach irgendwas, und dann … ach, ich weiß auch nicht.« Er war tiefrot im Gesicht.
»Ralph, ich habe monatelang alle Frank O’Neills, die hier vor siebzehn Jahren gewohnt haben, abgeklappert. Lüg mich nicht noch mal an. Wer ist mein Vater?«
Ralph schüttelte den Kopf. »Nicht, Kate, bitte.«
»Warum nicht?«
Er warf das Messer auf den Boden und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. »Weil … deine Mutter wollte nicht darüber reden. Sie wollte nicht, dass … Du solltest es nie wissen. Okay? Sie hat es für sich behalten. Ich … Das muss man respektieren, weißt du?«
»Wie heißt er?«, fragte ich.
»Kate, ich hab dir doch gerade gesagt …«
»Wenn du seinen Namen kennst, solltest du ihn mir besser sagen. Ich lasse mich nicht länger anlügen.«
Ralph machte ein unglückliches Gesicht. »Frank. Wirklich. Das ist nicht gelogen.«
»Frank. Und wie weiter?«
»Keine Ahnung. Ich kenne ihn doch gar nicht.«
»Ralph! Ich meine es ernst. Ich gehe!«
»Ich kann dir nicht mehr sagen! Er lebt nicht hier. Ich habe keine Ahnung, wo er heute ist, weil ich ihn nie gekannt habe!«
Ich schwieg und starrte ihn so lange an, bis er meinen Blick nicht mehr ertragen konnte und sich von mir wegdrehte. Sein Gesicht war immer noch dunkelrot, und er atmete schwer.
»Ich weiß nicht, ob ich dir das glauben kann.«
»Es hat keinen Sinn, nach ihm zu suchen«, sagte Ralph. »Wir wissen nichts über ihn.«
Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging zurück in Margarets Haus, mein Zuhause.
Als wenig später der alte Bücherschrank meiner Großmutter abgeschlagen werden musste, weil er vom Holzwurm befallen war, fanden wir das Klassenfoto meiner Mutter. Ich zeigte es erst Margaret, dann Ralph, aber beide beteuerten, dass ihnen dieser junge Mann völlig unbekannt und er nie mit meiner Mutter befreundet gewesen sei. Diesmal glaubte ich ihnen sofort. Die Überraschung in ihren Gesichtern schien aufrichtig, als sie das Bild betrachteten. Aber sie erzählten mir wieder nichts Neues über meinen Vater.
In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu solchen Gesprächen, aber nie sollte ich etwas Neues erfahren. Schließlich gab ich es auf, Margaret und Ralph weiter zu quälen, und versuchte, mich damit abzufinden, dass meine Mutter wohl den Namen meines Vaters mit ins Grab genommen hatte und ich ihn niemals finden würde.
Aber daran, dass er ihre große Liebe gewesen war und nichts von mir gewusst hatte, konnte ich nicht mehr glauben. Es passte nicht zusammen. Wenn Hannah nicht gewollt hatte, dass jemand seinen Namen
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