Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
es dich doch nicht?«
Er blieb stehen, den Blick wieder auf die Bucht gerichtet. »Doch, natürlich. Ich frage mich nur gerade, ob es dich interessiert.«
Er drehte sich von mir weg und ging eilig weiter die Landstraße hinunter. Erst wollte ich protestieren, weil er mich einfach stehen ließ, aber dann schwieg ich. Nachdenklich sah ich ihm eine Weile hinterher. Dann stopfte ich die Hände tief in die Taschen meiner Regenjacke, wie ein trotziges kleines Kind, und ging querfeldein auf die Küste zu.
Es hatte mir schon immer geholfen, einfach nur aufs Wasser zu sehen, wenn ich nachdenken musste.
18.
»Und wieso promovieren?«, fragte mich Sophie damals verständnislos. »Sorry, aber ich bin so froh, dass ich diesen akademischen Staub hinter mir habe.«
Ich verdrehte die Augen. »Ich will sicher sein, dass man mich ernst nimmt. Wenn ich jetzt in der Redaktion einer Zeitschrift einsteige und keinen höheren Abschluss vorzuweisen habe, stecken sie mich irgendwo hinter einen Schreibtisch. Und das auch nur mit viel Glück. Jeder will Journalist werden, hab ich den Eindruck!«
Es war mein Abschlussjahr an der Uni. Sophie, die seit drei Monaten mit einer Theatergruppe quer durch Irland und Großbritannien unterwegs war, machte gerade einen kleinen Heimaturlaub, wie sie es nannte.
»Und du glaubst, das wird besser, wenn du eine Phalanx akademischer Grade mit dir herumschleppst?«
»Ich habe natürlich einen Plan. Ich kann während der Promotion freiberuflich arbeiten. Ich schreibe meine Artikel, verkaufe sie, und am Ende habe ich eine schöne Arbeitsmappe und einen Doktortitel. Dann wollen wir mal sehen, wie sie sich um mich als Reisejournalistin prügeln. Und irgendwann bin ich Auslandskorrespondentin. Am liebsten in New York.«
»Puh«, machte Sophie nur.
»Was denn? Ich finde New York toll!«
»Nicht deshalb puh. Überhaupt puh.«
»Glaubst du, dass ich das nicht schaffe?«
Sie lachte. »Doch! Natürlich! Ich frage mich nur, ob es sein muss, dass du jetzt noch drei Jahre oder so an der Uni vertrödelst.«
»Ich vertrödele die Zeit nicht.«
»Na gut. Dass du jetzt noch drei Jahre oder so an der Uni verstaubst.«
»Hey, ich verstaube auch nicht! Ich werde viel unterwegs sein und über alles Mögliche schreiben!«
»Ich kapier’s immer noch nicht. Warum versuchst du es nicht gleich? Gib dir doch, sagen wir mal, ein Jahr Zeit. Geh auf Reisen, schreib über das, was du in der Welt siehst. Schreib schöne Reiseberichte, schreib kritische Reportagen über das Elend in den Schwellenländern und die Zustände in China. Und dann, wenn du danach keine feste Stelle bekommst, machst du eben deine Promotion.«
Wir saßen in einem indischen Restaurant in der Oliver Plunkett Street in Cork und hatten gerade riesige Portionen Curry verschlungen. Wie so oft nach einem guten Essen konnte Sophie nicht anders, als ernste Themen zu wälzen. Es war, als würde die Energie, die sie gerade zu sich genommen hatte, sofort umgewandelt in eine unbändige Lust, kontrovers zu diskutieren.
»Das ist nicht so einfach. So etwas muss doch von langer Hand geplant werden. Und wenn ich ein Jahr unterwegs war, werde ich bestimmt nicht ohne Weiteres einen Job finden. Zuerst wird es mit den Bewerbungen eine Ewigkeit dauern, dann ist es nicht sicher, ob man wirklich dort bleibt, falls man eine Stelle anfängt, und so weiter. Die Vorlaufzeiten für die Promotionsbewerbungen darfst du auch nicht vergessen.«
Diesmal war sie es, die die Augen verdrehte. »Okay. Dann ist es offenbar noch etwas anderes, das ich nicht verstehe: Wieso brauchst du unbedingt eine feste Stelle? Du sagst doch selbst, dass du nicht hinter irgendeinem Redaktionsschreibtisch versauern willst?«
»Ich bin nicht wie du, Sophie. Ein bisschen Sicherheit fände ich schon ganz gut.«
Jetzt stöhnte sie auf, als hätte sie Magenschmerzen. Einer der Kellner warf ihr einen besorgten Blick zu. »Ich an deiner Stelle, und jetzt fang nicht wieder an mit deinem ›Ich bin ja so anders als du‹-Gerede, ich an deiner Stelle würde es einfach riskieren. Tu doch das, was du tun willst! Raus in die Welt! Augen auf, drüber schreiben, genug Geld verdienen, um über die Runden zu kommen. Und wenn’s mal nicht so toll läuft, kellnerst du eine Weile. Warum denn nicht? Wenn du das ein paar Jahre gemacht hast, bekommst du mit Sicherheit irgendwo einen festen Job. Du musst es nur einfach probieren. Wir sind jetzt Anfang zwanzig. Wieso willst du dich jetzt schon festlegen? Du hast bewiesen,
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