Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
in den anderen Häusern gewohnt hatte, machten uns gegenseitig auf alles aufmerksam, was uns neu und unbekannt erschien. Und wir sprachen über das, was wir als Kinder zusammen erlebt hatten. Über die schönen Dinge.
»Der kleine Laden an der Ecke ist nicht mehr da!«, sagte ich. »Was ist passiert?«
»Die Supermärkte wahrscheinlich«, sagte Emma. »Weißt du noch, wie wir immer die Zeitschriften durchgeblättert haben, stundenlang? Mr. Farooki hatte echt Geduld mit uns.«
»Er mochte uns«, sagte ich. »Sein Sohn war in unserem Alter, oder?«
»Aber eine Klasse unter uns, warum eigentlich?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Hatte er Probleme mit der Sprache?«
Emma schüttelte den Kopf. »Er war doch noch ganz klein, als sie hergekommen sind. Wann hat Mr. Farooki den Laden übernommen?«
»Er hatte ihn doch ewig. Schon immer! Nein?«
Nicht lange, und es sprudelte nur so aus uns heraus. Hatte da nicht die alte Dame mit dem lustigen kleinen Hund gewohnt, den wir spazieren geführt hatten? Und was war eigentlich aus der hochnäsigen Sarah geworden, die immer darauf geachtet hatte, bloß nicht gleichzeitig mit uns die Straße entlangzugehen? Der alte Sanderson lebte bestimmt nicht mehr, und wenn, wie alt wäre er heute? Hundert? Vielleicht war er uns damals, als wir heimlich Blumen in seinem Vorgarten gepflückt hatten, nur so alt vorgekommen? Und waren das noch dieselben Palmen, auf die die nette Mrs. Wellers so stolz gewesen war?
»Brian hätte das gefallen, was wir jetzt machen«, sagte ich zu Emma. »Er sagte immer: Wenn es dir nicht gut geht, mach eine Zeitreise. Geh im Kopf dahin, wo es einmal schön war. Und wir sind sogar leibhaftig am Ort unserer Kindheit.«
Emma nickte. »Geht es dir denn jetzt besser?«
»Du weißt, was vorhin passiert ist?«
Wir gingen weiter den Hügel hinauf, bis wir an den alten Schrottplatz kamen. Wir nannten ihn Schrottplatz, aber es war eine Autowerkstatt gewesen, eine für Unfallwagen. Damals, als man sich noch die Mühe gemacht hatte, etwas zu reparieren. Heute würde die Werkstatt wahrscheinlich wieder laufen. Emma lotste mich auf die Wiese vor den Sportplätzen auf der anderen Straßenseite und setzte sich ins Gras.
Wie früher.
»Sophie hat mir davon erzählt«, sagte Emma. »Wie geht’s dir jetzt?«
»Na, wie schon«, murrte ich.
»Was willst du machen? Noch mal mit ihm reden?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Was gibt es denn da zu reden! Er hat mich angelogen, die ganze Zeit.«
»Als ihr euch kennengelernt habt, hast du ihn da gefragt, ob er verheiratet ist?«
Ich sah sie verwundert an. »Warum hätte ich das tun sollen?«
Sie umklammerte ihre Beine mit den Armen und legte ihr Kinn auf die Knie. Sie sah im Dämmerlicht aus wie e in junges Mädchen. »Du hättest ihn ja fragen können, o b er gebunden ist. Er war allein in Irland, wollte drei Monate bleiben, das legt den Verdacht nahe, dass er Single ist. Aber du hättest ihn fragen können.«
»Er hätte es mir sagen müssen!«
»Und was hat er jetzt dazu gesagt?«
»Das Übliche. Dass alles ganz anders ist. Und schwierig. Und dass die beiden sich scheiden lassen wollen.«
»Wo ist dann das Problem?«
Ich starrte sie an und wusste einen Moment lang nicht, was ich darauf erwidern sollte. »Wo das Problem ist? Er hat mich angelogen!«
»Na ja, er hat nur nicht über seine Frau gesprochen, und das kann tausend Gründe haben. Wenn er sagt, die Ehe ist vorbei, dann ist sie das für ihn wohl auch, und er sieht keinen Grund, ständig von seiner Ex anzufangen.«
»Wieso Ex? Noch sind sie ja wohl verheiratet!«, protestierte ich.
»Hätten sie keinen Trauschein, wären sie einfach nicht mehr zusammen, und sie wäre seine Ex. Oder etwa nicht?«
Ich nickte widerwillig.
»Na also. Nun stell dir vor, sie lieben sich seit Jahren nicht mehr, haben beschlossen, sich zu trennen, wollen nur noch abwarten, bis … keine Ahnung. Das Haus abbezahlt ist. Die Kinder alt genug sind. Er eine neue Wohnung gefunden hat. Irgendwas. Was hättest du denn gemacht, wenn er gesagt hätte: Hi, ich bin Matt, ich bin verheiratet, aber nur auf dem Papier, wollen wir nicht einfach mal was miteinander anfangen?«
»Absurd.«
»Was genau?« Sie lehnte sich zurück, stützte sich mit den Armen ab und legte den Kopf in den Nacken, um die Sterne zu betrachten.
Ich sagte nichts.
»Wenn er das gesagt hätte, dann hättest du doch gedacht, er sei nur auf der Suche nach einem Abenteuer, nicht wahr? Vielleicht wollte er das
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