Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
nutzen.«
Ich ergriff ihre Hand und stand auf. »Ich fürchte, den Glauben daran habe ich schon lange verloren.«
»Du machst einen Fehler.«
Aber ich war mir sicher, genau das Richtige zu tun.
Meine Mutter war zu der Zeit seit vier Jahren tot. Mein Vater war in ein kleineres Haus gezogen, das näher am Zentrum von Cork lag. Als ich vor seiner Tür stand, sagte er nichts. Er schloss nur fest seine Arme um mich, und als er mich wieder losließ, sah ich, dass er weinte. Ich weinte mit ihm.
Am nächsten Tag wurde ich krank. Ich bekam hohes Fieber. Im Krankenhaus konnten sie nicht feststellen, was es war. Eine Woche lang fieberte ich ohne ersichtlichen Grund, und dann war ich wieder vollkommen klar bei Bewusstsein, hatte normale Temperatur – und einen Bärenhunger.
Mein Vater und ich hatten so viel zu besprechen, als ich entlassen wurde. Ich schämte mich dafür, dass er mich nun wieder finanziell unterstützen musste, und war froh, als ich schon bald einen Job als Bedienung in einem Café fand. Um als Krankenschwester zu arbeiten, fühlte ich mich noch nicht in der Lage, aber ich hoffte, dass ich es bald wieder schaffen würde.
Ich erfuhr, dass meine Mutter einfach tot umgefallen war. Ein Herzinfarkt direkt nach dem Gottesdienst. Wir gingen auf den Friedhof, um frische Blumen aufs Grab zu legen. Ich fühlte mich schuldig und hatte ein schlechtes Gewissen. Vor allem weil ich nie versucht hatte, mich mit ihr auszusöhnen. Aber dann – hatte sie es denn umgekehrt versucht?
»Ich wollte, dass nach dir gesucht wird«, sagte mir mein Vater, ohne etwas zu beschönigen. »Doch sie sagte immer nur: Emma hat es nicht verdient, dass man ihr hinterherläuft. Entweder sie kommt von allein zurück, oder sie lässt es bleiben. Ich war natürlich trotzdem bei der Polizei. Schließlich warst du noch nicht volljährig. Sie mussten doch etwas tun!«
Er erzählte mir, dass ein Steckbrief mit einem Foto von mir in allen Polizeistationen des Landes aufgehängt worden war. Mehr war wohl nicht geschehen, und wie er e inige Monate später herausfand, steckte mal wieder m eine Mutter dahinter. Cork ist letztlich doch auch nur ein Dorf. Sie kannte eine Frau, deren Sohn bei der Polizei war. Sie gingen in dieselbe Kirche. Dieser Frau sagte sie, ich sei gar nicht vermisst, ich wäre durchgebrannt und würde keinen Kontakt wünschen. Sie wusste es nicht, sie hatte geraten – vielleicht kannte mich meine Mutter doch besser, als ich immer gedacht hatte. Die Suche nach mir wurde eingestellt, bevor sie begonnen hatte.
Vater und ich redeten viel. Über früher, über Mutter, über meine Geschwister. Ich erzählte ihm alles – wirklich alles –, was ich erlebt hatte. Wahrscheinlich wollte ich so etwas wie Absolution. Meine Mutter hatte mir die Kirche mit ihrer düsteren, strengen Religiosität verleidet. Mein Vater wurde zu meinem Beichtvater, und ich fühlte mich gut, mir alles von der Seele geredet zu haben. Endlich jemand, mit dem es keine Geheimnisse gab. Der nichts vor mir verschwieg, so wie Sanjay, und vor dem ich nichts zurückhalten musste wie bei Frank.
Doch das sollte sich bald ändern.
23.
Manchmal muss man den Schmerz einkapseln und vergessen, bis man bereit ist, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Ich war noch nicht bereit dazu. Matt war, als ich am nächsten Tag nach Kinsale zurückkehrte, bereits abgereist, ohne eine Nachricht hinterlassen zu haben, und ich sollte auch in den nächsten Tagen nichts von ihm hören. Ralph und Mary gegenüber gab ich mich stark und unbeeindruckt, ich machte sogar Witze über meinen »Ausrutscher«, wie ich es nannte. Sogar in Sophies Gegenwart weigerte ich mich, das Thema anzusprechen. Nur wenn ich mit Emma zusammen war, war da eine klaffende Wunde, und ich musste kein Wort sagen. Sie verstand mich auch so.
Das Mittsommerfest war ein großer Erfolg für das Jacob’s Ladder geworden. Die lokale Presse berichtete darüber. Nachts war sogar noch ein Fernsehteam von einem kleinen Privatsender aus der Region erschienen, um die Aufführung der Shakespeare-Szenen zu filmen.
Ralph freute sich. »Das stelle ich alles auf die Homepage. Prima Werbung.«
Mary hob nur kritisch die Augenbrauen. »Wir sind schon gut ausgelastet. Mit so was holst du dir nur diese Wichtigtuer ins Haus, die für Zeitschriften oder Reiseführer schreiben. Die in Wirklichkeit nur kostenlos übernachten und essen wollen.«
Ich lachte. »Das wollen sie?«
»Natürlich.«
Ich konnte mir vorstellen, was Mary ihnen am Telefon um
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