Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
würde protestieren und sagen, ich solle hierbleiben, man bräuchte mich dringend, es wäre so schrecklich, mich nicht mehr um sich herum zu haben. Aber sie nickte und sagte: »Ja, überall Gespenster. Deine Mutter, deine Großmutter und jetzt noch Brian. Sieh zu, dass du von der Insel runterkommst.«
»So weit willst du mich gleich weghaben?«, sagte ich und wurde traurig, ganz so, als wäre ich längst weg.
»Hör mal, meine Kleine. Du hast doch noch was gespart. Gib es aus. Kauf dir ein Ticket. Such dir irgendeinen Job. Oder schreib deine Artikel und sieh zu, dass du sie verkaufst. Probier es aus! Wenn du kein Geld mehr hast, kommst du wieder. Hier ist immer Platz für dich. Hier ist dein Zuhause. Und jetzt fang nicht wieder an zu heulen. Was war ich froh, dass du gerade mal aufgehört hattest.«
Ich musste unter den Tränen lachen. »Danke, Mary. Du bist toll.«
»Ja, ja. Wie auch immer. Und? Wo willst du hin? Wovon hast du schon seit Jahren geträumt?«
»New York«, platzte ich heraus.
»Dann ist es New York. Finde ich gut. Jeder anständige Ire sollte mal nach Amerika gehen.«
»Sind da nicht schon genug von uns?«
»Das war ein Scherz. Oder Ironie? Such dir was aus. Du kennst dich mit so etwas besser aus als ich. Also dann: New York, mach dich bereit für Katie!«
Ich spürte, wie sich Freude in mir ausbreitete. »O ja! Ich will schon seit Jahren dorthin!« Doch dann hielt ich inne. »Wobei, New York ist vielleicht der falsche Ort, um zu vergessen.«
»Wegen Matt?«
Ich nickte.
»Quatsch. Erstens, was hat der mit Brian und Emma zu tun? Zweitens, Sophie hat gesagt, dass er dich ganz schön motiviert hat, endlich in die richtige Richtung zu denken und zu tun, was du wirklich tun willst. Drittens, von New York träumst du schon immer.« Sie hielt inne und zog die Augenbrauen nachdenklich zusammen. »Du musst raus, Abenteuer erleben, und dann kommst du zurück nach Hause, um dich eine Weile zu erholen. Bis du wieder auf Abenteuerreise gehst. Ich glaube, das ist dein Weg. Was denkst du?«
»Ich frage mich, warum ich nicht schon längst …«, begann ich.
Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. »Hör auf damit. Du hast dich damals für Brian entschieden. So eine Entscheidung … die kann richtig sein oder falsch, aber solange man sie für sich selbst getroffen hat, muss man dazu stehen. Wusstest du, dass man mir mal angeboten hat, so ein Nobelrestaurant in Cork zu leiten? Ist schon über zehn Jahre her. Hab ich mir auch überlegt. Und abgelehnt. Das war ganz allein meine Entscheidung, Ralph hat sich vornehm zurückgehalten. Alle haben gesagt: Du bist verrückt, so ein Angebot kommt nie wieder. Ich habe gesagt: Kann sein, aber ich hab nun mal Nein gesagt. Weißt du, es ist Blödsinn, sich hinzusetzen und zu jammern: Hätt ich doch, wär ich bloß … Wer weiß denn, wie es ausgegangen wäre, wenn man sich anders entschieden hätte? Nein, nein. Das war schon richtig so. Du wolltest Brian unterstützen. Du hast für dich beschlossen, dass deine Pläne noch ein bisschen warten können. Solange du dich nicht ganz aufgibst, ist alles erlaubt.« Sie lächelte. »Weise Worte, was?«
»Ich bin beeindruckt«, sagte ich, die Zunge schon deutlich schwerer als noch vor einer halben Stunde. Ich trank mein Glas aus. »Hast du’s bereut, das mit dem Nobelrestaurant?«
Mary lachte jetzt. »Der Laden hat gleich im ersten Jahr lauter Auszeichnungen bekommen, und natürlich band mir das jeder auf die Nase und machte dazu ein bedeutungsvolles Gesicht. Ich traute der Sache irgendwie nicht. Sonst hätte ich mich ja vielleicht dafür entschieden. Aber irgendwas sagte mir: Mary, lass die Finger davon. Und ich sollte recht behalten. Drei Jahre später brannte der Laden ab, und es kam heraus, dass der Inhaber hoch verschuldet war und auf die Weise versucht hatte, sich Geld von der Versicherung zu holen.«
»Oha.«
»Wo wir gerade beim Thema sind: Brauchst du Geld?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ihr habt mich ja kaum welches ausgeben lassen. Für eine Weile wird es schon reichen. Und ich werde mir Arbeit suchen.« Mir fielen die Augen langsam zu.
Mary stand auf und sammelte Gläser und Flasche ein. »Dann würde ich sagen: Flugplan checken, Unterkunft klarmachen, und – hallo, New York, hier bin ich.«
»Einfach so?«, murmelte ich.
»Einfach so.«
Ich hörte nicht mehr, wie sie das Zimmer verließ. Ich fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Als ich am nächsten Morgen mit gemeinen Kopfschmerzen aufwachte,
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