Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
hatte mir jemand ein großes Paket vor die Zimmertür gestellt. Es war eine schon etwas ältere Gesamtausgabe von Jane Austen. Dabei lag ein sehr dicker Brief von Emma.
Liebste Kate,
der schwerste Teil für mich kommt jetzt, und glaub mir, ich weiß, wie sehr du dich davor fürchtest. Aber wir wissen beide, dass es sein muss.
Brian.
Es hilft nichts. Du sollst erfahren, wie es war. Erinnerst du dich an die Frage, die ich dir gestellt habe? Wie ehrlich man in einer Beziehung sein sollte? Die Frage gilt auch für Freundschaften. Ich will nicht mehr, dass etwas zwischen uns steht. Auch wenn wir danach keine Freundinnen mehr sein können. Du hast es nicht verdient, länger angelogen zu werden.
Brian also.
Ich verliebte mich sofort in ihn, als ich ihn zum ersten Mal sah. Es war ein schöner Frühlingstag, mein erster Frühling nach Indien. Einer der ersten Tage, an denen man draußen sitzen konnte. Ich bog von der Oliver Plunkett in die Princes Street und suchte mir einen Platz, um einen Kaffee zu trinken. Ich ergatterte den letzten freien Tisch. Um mich herum Menschen, die die ersten Sonnenstrahlen genossen, rauchten, etwas Warmes tranken. Jemand fragte, ob er sich zu mir setzen könne, und ich blinzelte und sagte Ja. Dir muss ich nicht erzählen, wie er auf mich wirkte. Ich betrachtete ihn heimlich, während er mit seinem iPad beschäftigt war und, wie es schien, gleichzeitig noch in Unterlagen blätterte.
»Arbeit, hm?«, sagte ich.
Er sah nur kurz auf und nickte. Dann widmete er sich wieder seinen Sachen. Ich trank meinen Kaffee, und als ich gerade aufstehen wollte, um zu gehen, fluchte er leise vor sich hin. Ich drehte mich zu ihm. Er lächelte entschuldigend. »Schlechte Nachrichten«, sagte er.
»Tut mir sehr leid. Ich hoffe, es wird bald besser«, sagte ich.
Wir nickten uns zu, und ich ging.
Eine Woche später sah ich ihn wieder. Es war dasselbe Pub, nur saßen wir diesmal drinnen, weil es regnete. Ich las Stellenanzeigen durch. Mein Vater meinte zwar, ich solle mir Zeit damit lassen, wieder zu arbeiten, aber ich wusste, dass er nur eine geringe Rente hatte, und ich hatte mein erspartes Geld in Indien ausgegeben. Ich wollte vorerst nicht mehr als Krankenschwester arbeiten, und gleichzeitig war ich mir nicht im Klaren darüber, was ich sonst machen wollte. Sekretärin? Oder Büromanagerin, wie man heute dazu sagt? Als Empfangsdame arbeiten? Kellnern? Ich beschloss, mich danach zu richten, was gesucht wurde.
Brian, dessen Namen ich damals natürlich noch nicht kannte, saß ein paar Tische weiter. Diesmal starrte er einfach nur an die Wand, vor ihm stand ein Bier, das er aber noch nicht angerührt hatte. Er sah mich nicht. Ich überlegte, ob ich ihn ansprechen sollte, traute mich aber nicht. Er trug einen Ehering. Ich wollte nicht, dass er mich für aufdringlich hielt.
Als er zehn Minuten später immer noch so dasaß, konnte ich nicht anders. Ich ging zu ihm und fragte ihn, ob alles okay sei. Er erkannte mich nicht einmal, ich musste ihn daran erinnern, dass wir uns letzte Woche kurz auf der Terrasse gesehen hatten. Er antwortete höflich, dass er Probleme hätte, nicht darüber reden wolle, und ich ging wieder an meinen Tisch. Ich war etwas enttäuscht von seiner Reaktion. Ich hatte doch nur nett sein wollen …
Dann stand er unerwartet vor mir und entschuldigte sich dafür, so barsch gewesen zu sein. Er fragte: »Wenn Sie mit der Zeitung fertig sind, darf ich dann auch mal reinsehen?«
Ich hielt ihm die Teile hin, die ich nicht brauchte: »Sie können sie haben. Ich lese nur die Stellenanzeigen.«
Er nahm mir die Zeitung nicht ab, zögerte mit der Antwort. »Ich auch.«
Ich erzähle es dir so ausführlich, damit du weißt, dass er nicht auf der Suche nach einem Abenteuer war. Er sprach nicht einfach eine fremde Frau auf der Straße an. Wir kamen an diesem Tag ins Gespräch, aber es dauerte Wochen, bis zwischen uns etwas passierte.
Ich will nichts entschuldigen. Ich will ihn nicht verteidigen. Aber ich denke, du solltest wissen, dass er mich nicht liebte. Ich wollte glauben, dass es Liebe zwischen uns war. Ich weiß heute, dass ich mir etwas vorgemacht habe. Er klammerte sich aus Verzweiflung an mich.
Alles, was ich über seine Ehefrau wusste, war, dass sie für ihn einiges aufgegeben hatte, damit er sich seinen Traum von der eigenen Agentur erfüllen konnte. Er hatte deshalb immer ein schlechtes Gewissen gehabt. Als er arbeitslos wurde, war es ihr Job, der die beiden über Wasser hielt. Brian
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