Emmas Story
interessiert ist? Anders als eine ganz normale Freundin?«
»Weil Frauke beunruhigt schien. Und sie wird Antonie ja wohl kennen.« Ich weiß, das stimmt nicht ganz. Ich weiß, ich sollte das besser nicht sagen. Was ist nur los mit mir? Normalerweise verbreite ich doch nicht solche Gerüchte. Es ist, als wäre ich wieder dreizehn und gerade dabei, Lu mit einer (so gut wie) erfundenen Geschichte über unsere Lehrerin Frau Pflaume und den Rektor, Herrn Klemp, zu beeindrucken.
Lu sieht aber gar nicht mehr wie dreizehn aus. Und auch nicht beeindruckt. Sie runzelt nur die Stirn. »Aber die beiden sind doch erst ein paar Monate zusammen.«
»Sieben Monate und etwas mehr als zwei Wochen.«
»So genau weißt du das?«
Ich schweige.
Lu rechnet nach. »Sieben Monate? Na, dann ist doch alles klar! Nach der ersten Hochverliebtenzeit haben sie sich jetzt ein bisschen beruhigt und nehmen auch ihre eigenen Leben wieder auf – nicht nur das zu zweit, weißt du? Dazu gehört natürlich auch, Freundschaften zu knüpfen, wenn einem sympathische Menschen begegnen.« Mir ist klar, dass sie sich damit meint, und zwar nicht als Scherz. Sie hält sich wirklich für einen sympathischen, wertvollen Menschen, mit dem andere gern Freundschaften eingehen würden. Ein gesundes Selbstwertgefühl, meine Güte, das muss ich schon sagen.
Vielleicht würde mir ein Bruchteil davon schon weiterhelfen in meinem Leben.
Denn auch wenn mein Spiegelbild mir jeden Morgen versichert, dass ich schön bin, bin ich deswegen noch lange nicht der Meinung, dass irgendjemand Wert auf meine Gesellschaft legen könnte.
»Du meinst also, dass Antonie dir gar nicht gefallen hat?«, resümiere ich scherzhaft, um die Situation wieder zu entschärfen, und wiege den Kopf. »Das sah aber auch ganz anders aus.«
Jetzt lächelt Lu wieder. »Mir fällt auf an dir, Emma, dass du dir zu schnell ein Bild malst, von dem, was Menschen wirklich meinen. Legst zu viel Wert auf deine heilige Sprache. Ist dir das nie aufgefallen? Ich habe doch nicht gesagt, dass Antonie mir nicht gefällt. Ich finde, sie muss einem einfach gefallen, meinst du nicht?«
Sie hält kurz inne, aber ich sehe gar nicht ein, darauf zu antworten. Natürlich meine ich nicht, dass Antonie einem einfach gefallen muss. Ich finde sie zu übersprudelnd, zu extrovertiert, zu direkt, zu klein, zu sportlich, zu tierärztinnenhaft, zu sehr Fraukes Partnerin.
Als ich nichts erwidere, räuspert Lu sich. »Sie hat so was Lebendiges. Schon allein wie ihre Augen leuchten. Und sie wirkt sehr heiter, wie Sonnenschein. Klar, sie ist nicht wirklich schön, dazu ist ihre Nase irgendwie zu gebogen, und die kleine Zahnlücke ist nun auch nicht unbedingt das, was sich ein Popstar leisten könnte … aber ich find das ziemlich … sexy.«
Ich fühle mich plötzlich so schön und deswegen so schwer, dass ich glaube, ich werde nie wieder von diesem Fleckchen Erde aufstehen können. Ich werde hier kleben bleiben wie ein wunderbar geformter Fels. Ebenso zeitlos schön. Und ebenso fröhlich und lebendig.
Natürlich mache ich Eindruck auf die Menschen. Etwas Schönes macht immer Eindruck. Es fordert geradezu heraus, hinzustarren, zu bewundern, vielleicht ja auch, zu gucken, was es macht und mit wem es spricht. Aber gewiss löst es kein so entzücktes Grinsen aus, wie ich es gerade auf Lus Gesicht beobachten konnte, als sie von Antonie sprach. Und ganz gewiss lässt es eine nicht sagen: ›Sexy!‹
›Wenn es jetzt doch schon geschehen ist?‹, echot Armins Stimme in meinem Kopf. ›Wenn doch Lu und Antonie Gefallen aneinander finden und Frauke zudem auch vielleicht ein klitzekleines bisschen eifersüchtig ist, wäre das nicht eine gute Ausgangsposition, um dich wieder oder vielmehr endlich ins rechte Licht zu rücken?‹
»Antonie findet dich auch ziemlich klasse«, höre ich mich sagen.
Ich atme möglichst ruhig. Obwohl ich am liebsten nach Luft schnappen möchte.
Ich sollte das lassen. Sofort.
Lu räuspert sich. »Sympathisch«, sagt sie. »Sie hat gesagt, ich bin ihr sympathisch.«
Irre ich mich oder ist auch sie plötzlich ein kleines bisschen angespannter als gerade noch?
Ich könnte noch etwas sagen. Ich könnte es noch ein bisschen weitertreiben. Aber ich bin doch kein Teenager mehr. Ich bin erwachsen. Ich spiele nicht mit den Gefühlen anderer. Ich führe keine Intrigen an. Ich habe sowieso schon viel zu viel gesagt. Lu ist eine fremde Person. Gar nicht eingebunden in unsere Beziehungsgeflechte, in diese kleine
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