Emmas Story
fühle ihn im Magen, der sich krampfartig zusammenzieht, im Rücken, der mir brechen will, in der ganzen Brust, die brennt, als stünde ich mit einem einzigen raschen Atemzug lichterloh in Flammen.
›Oh nein!‹, denke ich und will fast abwehrend die Hände heben. ›Oh nein, sag jetzt bloß nicht so was!‹
Ich will aufspringen und rufen: ›Sag es nicht! Los, lass uns ganz schnell über etwas andres reden und nie wieder daran denken!‹
Ich will die Hände fest über die Ohren legen und laut singen, damit ich keine Silbe verstehen kann.
Ich will auch ganz sicher nie wieder so eine dumme Frage stellen, die eine so verrückte Antwort zur Folge haben könnte.
Doch ich hocke einfach nur hier. Ich tue nichts. Ich halte sie nicht auf.
»Ach, Emma«, sagt sie da leise. »Ich war doch so verliebt in dich.«
Ihre Worte hängen zwischen uns wie eine schillernde Seifenblase, der wir beide fassungslos dabei zusehen, wie sie höher und höher steigt.
Lu sieht mich über dieses Flirren und Glimmern hinweg an, und ihr Blick ist der einer Vierzehn-, Fünfzehn-, Neunzehnjährigen, ihr Blick ist der einer Frau Mitte dreißig.
Was soll ich bloß tun? Mit so einem Blick?
Irgendwann haben wir so lange nichts gesagt, dass das nächste Wort, das gesprochen wird, wie eine Bombe in meiner Küche explodiert. »Das kann nicht sein«, sage ich fest.
»Was kann nicht sein?«, fragt Lu. Ich sehe, dass ihre Hände zittern. Ich will es nicht sehen, aber dafür ist es bereits zu spät.
»Dass du in mich … Das hätte ich gemerkt. Ich weiß nicht, wieso du dir jetzt so etwas ausdenkst, aber falls du es tust, um mich völlig aus dem Konzept zu bringen, dann hast du damit erreicht, was du wolltest. Leider keine besonders gute Grundlage für den Neuanfang einer lange unterbrochenen Freundschaft.«
Lu blinzelt.
»Wie kommst du nur darauf, dass ich mir das ausdenke, Emma? Ich kann ja verstehen, dass es dich überrascht oder sogar schockt. Aber wieso sollte ich das erfinden? Das war nicht so witzig damals, weißt du.«
Als sie das sagt, sehe ich gerade auf ihre Lippen. Mir fällt auf, dass ich auf ihre Lippen sehe, weil ich genau erkennen kann, wie sie das du mit ihnen überdeutlich formt.
Ich sehe rasch wieder fort, auf den Tisch, auf meine Tasse, die dort steht.
Erhebe dich, du schwacher Geist!, lese ich darauf.
»Aber du warst immer so zielstrebig. Du wusstest doch genau, was du wolltest.«
»Und ich war nicht so dumm, um Dinge zu kämpfen, die ich nie bekommen hätte«, wirft Lu ein.
»Du hast es nicht einmal versucht«, kontere ich.
Lu sieht mich an. Das kann ich aus dem Augenwinkel erkennen. Aber ich erwidere ihren Blick nicht.
»Willst du sagen, es hätte etwas geändert, wenn du es damals gewusst hättest?«, fragt sie mit leiser Stimme.
»Quatsch!«, sage ich entschieden. »Oder glaubst du etwa, ich hätte etwas mit einer angefangen, die mir und mich nicht unterscheiden kann?«
Lu zuckt leicht zusammen. Ich sehe sie erschrocken an. Wie konnte mir so was rausrutschen? Ihre schwarzen Augen unter den beiden Halbmonden werden noch ein bisschen dunkler.
»Weißt du was, Emma? Solange du derartige Minderwertigkeitskomplexe hast, wirst du nie diejenige finden, die du suchst.«
Ich lache auf. Es ist ein hohes, falsches Lachen, das in die Seifenblase sticht und sie dröhnend zerspringen lässt. »Was haben meine Minderwertigkeitskomplexe mit deinen Sprachproblemen zu tun?«
Lu zuckt die Achseln. »Das kannst du ja mal herausfinden.«
Dann steht sie auf.
Mein Herz, das sowieso schon wesentlich schneller schlägt als gewöhnlich, beginnt zu rasen.
›Sie wird mich küssen!‹, denke ich und weiß eigentlich gar nicht, wieso ich mir da so sicher bin. ›Was mach ich jetzt? Sie wird mich küssen!‹
Doch Lu kommt gar nicht auf mich zu.
Sie wendet sich um und geht hinaus.
Im Flur stößt sie einen leisen Pfiff aus, der mich zusammenfahren lässt.
Aus dem Wohnzimmer kommen Belle und Jojo getrottet.
Sie alle gehen zur Tür.
»Hey!«, rufe ich da, springe auf und renne in den Flur. »Wo willst du denn jetzt plötzlich hin?«
Lu, die Hand schon auf der Klinke, schüttelt den Kopf, als hätte ich sie aufgefordert zu bleiben. Dabei habe ich das gar nicht. Kein Wort habe ich davon gesagt, dass sie bleiben soll.
»Es macht echt keinen Spaß, mit dir zu reden, wenn du nicht einmal bereit bist, zu dir selbst ehrlich zu sein, weißt du«, sagt sie. Dann öffnet sie die Tür.
»Ja, glaubst du denn, du kannst hier einfach so
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