Emmas Story
wollte.
Wieso tut sie das?
Wieso sieht sie dabei so aus?
»Tja … ehm … Was … Was hattest du gefragt?«, stottere ich.
Lu grinst.
»Meinst du, der Typ macht auf Mallorca jetzt einen auf heiles Eheleben?«
Ich zucke die Achseln.
»Hab ihn nur einmal getroffen. Und das war noch ganz zu Anfang. Was soll ich sagen? Ich hab damals nichts Komisches an ihm gefunden. Ich dachte, er sei am Ende seiner Ehe und hätte jetzt endlich das Lebensglück mit Armin gefunden. Natürlich hab ich mich gefreut für die beiden. Ich hab ihm geglaubt, dass er es ernst meint.«
Lu macht einen Kussmund.
Wieso macht sie einen Kussmund, wenn sie doch eigentlich nur nachdenken will?
»Vielleicht nutzt er den Urlaub, um mit seiner Frau drüber zu sprechen? Könnte mir vorstellen, dass er ihr reine Weine einschenkt und dann nach Hause kommt und alles regelt. Schließlich ist das Kind jetzt nicht dabei. Da ist es einfacher«, mutmaßt sie und knabbert nachdenklich an ihrer Unterlippe.
Ich lasse die ›reinen Weine‹ wohl besser unter den Tisch fallen.
»Nein«, sage ich fest. »Das tut er ganz sicher nicht. Es gab in den letzten Jahren mehr als eine Gelegenheit, zu der er es ihr hätte sagen können. Ich wette, er kommt wieder zurück, bittet Armin zerknirscht um Verzeihung und alles geht weiter wie bisher.«
Lus Blick wandert zur Zimmerdecke.
»Du meinst, er will sich gar nicht wirklich trennen?«
»Selbstverständlich nicht«, sage ich. »Das ist diese typische Nummer, in der jemand aus welchen Gründen auch immer in der alten Beziehung völlig festhängt und nicht anders kann, als beide an der Nase herumzuführen: die Frau und die Geliebte, oder den Geliebten. Wer weiß, was da alles eine Rolle spielt. Ich weiß, dass Rolf und Karin ein wirklich tolles Haus gekauft haben. Das müssten sie im Fall einer Scheidung doch verkaufen. Rolf müsste für Karin Unterhalt zahlen – so lange sie keine neue Arbeit hat, ganz sicher. Und dann die Alimente für das Kind. Aber es sind ja nicht nur die finanziellen Aspekte. Schließlich hängt doch auch ein Vater an seinem Kind, ist ja klar. Und bei Rolf kommt dazu, dass die Familie seiner Frau auch sehr wichtig für ihn ist. Er hat selbst seine Eltern früh verloren und versteht sich traumhaft mit den Schwiegereltern. Überleg doch mal, was er alles verlieren würde, wenn er sich scheiden lassen würde! Und wieso sollte er das alles aufgeben, wenn er doch beides haben kann? Armin öffnet ihm ja alle Tore, wenn Rolf mal wieder ankommt und einen Tag mit ihm verbringen will. Nein, vergiss es. Das wird nie was.«
Lu sieht mich wieder an. Ihr Blick huscht an mir vorüber.
Ich drehe den Kopf.
Dort in der Tür steht Armin und stützt sich am Rahmen ab.
Ich habe ihn nicht kommen hören.
Sein Anblick erschreckt mich.
Nicht nur, weil er grauenhaft aussieht – in etwa so, als hätte er sich gerade heftig über einer fremden Kloschüssel übergeben – sondern auch weil sein Gesichtsausdruck so hölzern ist.
Er starrt auf einen Punkt irgendwo jenseits der gegenüberliegenden Wand.
»Warum hast du mir nie gesagt, was du wirklich dazu denkst?«, fragt er steif.
Er kommt mir plötzlich älter vor als sonst. Als hätte er in der letzten Nacht ein bisschen was von seinem Jungencharme eingebüßt. Er wirkt erwachsen und reifer. Ich habe immer geglaubt, dass ich es gut finden würde, wenn er einmal so aussähe. Aber jetzt gruselt es mich.
»Weil du selbst es doch gewusst hast, Lieber«, antworte ich leise. »Du wusstest doch, dass es keine Zukunft hat. Du wusstest, dass es irgendwann so enden wird und dass …«
Armin schüttelt den Kopf. Das heißt, er will den Kopf schütteln. Das ist ganz deutlich zu sehen. Aber bereits nach der ersten heftigen Seitwärtsbewegung hält er inne, beißt die Zähne aufeinander und kneift die Augen zusammen. Ich warte geduldig ab, bis er das Karussell in seinem Kopf wieder im Griff hat.
»Kannst du dir vorstellen, dass man manchmal blind vor Liebe sein kann?«, sagt er. »Ich habe mir vorgemacht, dass es eines Tages tatsächlich gut sein wird.«
Dann knickt sein rechtes Bein ein, und er droht am Türrahmen hinunterzurutschen.
Lu und ich springen beide gleichzeitig zu ihm und greifen ihn unter den Armen.
»Komm her, mein Kleiner!«, murmele ich, während wir ihn zur Schlafcouch schleifen und er zu weinen beginnt. »Setz dich einfach wieder hin.«
Armin fällt regelrecht in sich zusammen, wie er da so auf der Sofakante sitzt und seine breiten Schultern hängen
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