Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
Erfüllung und Glück schreibt es sich nicht so einfach, wenn man nicht trivial werden will. Am glaubwürdigsten gelingt es, wenn Sie positive Gefühle mit Problemen konfrontieren, aber der positiven Seite die Oberhand lassen. Probieren Sie es einmal:
•Liebe wird erwidert.
•Vertrauen wird nicht enttäuscht.
•Menschen stehen füreinander ein.
•Verletzungen werden vermieden.
•Eine Stimmung der Geborgenheit ist vorherrschend.
•Farben und Formen, Dinge in der Umgebung, werden positiv erlebt.
Man kann über Freude, Glück und Zufriedenheit schreiben, ohne oberflächlich zu sein und ohne eine heile Welt zu konstruieren. Das kann man durch einen positiven Grundton erreichen, ohne dabei den Blick für die Realität zu verlieren. Die angenehmen Gefühle verkörpern sich in der Schönheit von Wahrnehmungen und Details. Ereignisse und Erlebnisse erfahren eine positive Bewertung. Dies ist Judith Hermann in ihrer Erzählung »Die Liebe zu Ari Oskarsson« gelungen, die in dem Band Nichts als Gespenster (2003) enthalten ist. Zwei junge Musiker, Owen und die Ich-Erzählerin, reisen nach Norwegen zu einem Musikfestival, zu dem sie eingeladen waren, das dann aber mangels Nachfrage kurzfristig geplatzt ist. Sie bleiben trotzdem und lernen interessante Leute kennen, unter anderem Ari Oskarsson und seine Frau Sikka. Die Ich-Erzählerin ist froh darüber, mit Owen keine Liebesbeziehung zu haben, sondern einfach befreundet zu sein. Dann kommt es dazu, dass Owen mit Sikka flirtet und die Erzählerin mit Ari. Für kurze Zeit ist die Atmosphäre von einem unruhigen, unbehaglichen Gefühl durchdrungen, am nächsten Morgen gibt es Katerstimmung. Aber die Situation entspannt sich. Erinnerungen an die Nacht bleiben zurück, auch Sehnsuchtsgefühle, aber es gibt keine tiefergehenden Probleme, keine Tragik. Die Freude an der Schönheit Norwegens und die Lust am Unterwegssein überwiegen. Owen und die Erzählerin lachen über die Liebesschwüre, die sie nachts den anderen gemacht haben, und freuen sich daran, dass ihre Beziehung unkompliziert ist. Natürlich gibt es Einschränkungen in der Zufriedenheit – »Und bevor ich das hätte greifen können, diese Traurigkeit unter der Lust, darüber zu lachen, warf Owen seine Arme hoch und schrie, und ich sah in den Himmel…« – aber die leichte, hingetupfte Sprache, die die Freude an den Naturschönheiten trägt, setzt sich durch, wie die Sonne an einem mäßig bewölkten Tag – als beide das Nordlicht sehen: »… und das, was ich für eine grüne Wolke hielt, fing plötzlich an zu zerfließen. Es zerfloss und zitterte und wurde heller und heller und war ein großer Wirbel über den ganzen Himmel in allen Farben, leuchtend und schön.«
Es sind nicht die objektiven Qualitäten, sondern die subjektive Zufriedenheit, die mit Glück im Zusammenhang steht. Das gilt auch für literarische Figuren. Im wirklichen Leben stehen oft Faktoren im Vordergrund, die für das literarische Werk zweitrangig sein können: Lebenspartner, Selbstachtung, Finanzen, beruflicher Erfolg, Freundschaften, Eigentum, Gesundheit, Freizeitgestaltung, Wohnverhältnisse, Familienbeziehungen. Beim literarischen Charakter hingegen liegt die Tendenz anders. Entspannung, Erleichterung, Glück treten ein, wenn der Protagonist ein Ziel erreicht, ein Rätsel gelöst, eine Selbstüberwindung vollbracht, einen Reifungsprozess gemeistert oder eine wichtige Erkenntnis gewonnen hat. Im literarischen Text kann der Sympathieträger einsam und verarmt zurückbleiben, doch dabei für sich selbst so gewonnen haben, dass er zufrieden und glücklich ist.
Ein Happy End muss nicht das totale Glück verheißen. Die Andeutung eines glücklichen Ausgangs liegt oft schon in der Hoffnung, die sich zum Beispiel einstellt, wenn ein Problem gelöst ist, aber offenbleibt, wie es weitergeht. Ein hoffnungsvolles Ende kann so aussehen: Zwar sind nicht alle Wünsche des Protagonisten erfüllt, aber er sieht für sich eine Zukunft. Zwar kehrt das Verlorene nicht wieder, aber die Hauptfigur kann sich mit ihrem Schicksal anfreunden. Zwar ist die Lage immer noch ernst, aber eine schöne Landschaftsatmosphäre oder eine zärtliche Berührung schenken der Person Freude. Hoffnung bedeutet, dass es weitergeht oder dass ein neuer Anfang möglich wird. In einem hoffnungsvollen Ende klingt die Freude am Leben an.
Hoffnungsvolle Ausklänge einer Erzählung:
»Er sagte so leise, dass nur er selber es hören konnte: Sabine. Sabine sagte sofort und laut: Ja.
Weitere Kostenlose Bücher