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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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durchsucht.«
    »Entschuldigung, welches Haus?«
    »Dieses hier. In dem wir drinsitzen und uns angucken, was denken Sie denn? Jede Schublade, jede gottverdammte Ritze. Sogar den Schrank mit Dannys Spielzeug. Von oben bis unten durchwühlt, von Profis. Jebs Papiere in der Schublade da. Alles, was er hinterlassen hat. Rausgenommen und wieder an seinen Platz gelegt, in der richtigen Reihenfolge, aber eben doch nicht ganz. Unsere Kleider genauso. Harry denkt, ich sehe schon Gespenster. Leide unter Verfolgungswahn. Den Teufel tu ich, Mr. Bell. Ich habe mehr Haussuchungen gemacht, als Harry in seinem Leben Frühstückseier gekocht hat. Ich erkenne ein durchsuchtes Haus, wenn ich eins sehe.«
    »Wann war das?«
    »Gestern, wann sonst? Während wir im Krematorium waren. Wie gesagt, Profis. Möchten Sie nicht wissen, worauf die aus waren?«
    Mit einem schnellen Griff zog sie einen flachen, unverschlossenen braunen Umschlag unterm Sofa hervor und warf ihn ihm hin.
    Zwei A 4 -Fotos, matt. Randlos. Schwarzweiß. Schlechte Auflösung. Nachtaufnahmen, stark vergrößert.
    Das Format ließ Toby an Verdächtigenfotos denken, unscharf, heimlich von der anderen Straßenseite aus geknipst – nur dass diese beiden Verdächtigen tot waren und auf einem Felsen lagen und es sich bei dem einen um eine Frau in zerfetztem arabischem Gewand und bei dem anderen um ein kleines Kind mit mengenweise Kugeln im Leib und halb abgetrenntem Bein handelte und dass die Männer, die um sie herumstanden, von riesigen Kampfanzügen aufgebläht waren und halbautomatische Waffen in den Händen hielten.
    Auf dem ersten Foto zielte ein unidentifizierbarer stehender Mann in Kampfausrüstung auf die Frau, wie um ihr den Gnadenschuss zu geben.
    Auf dem zweiten kniete ein weiterer Mann in Kampfausrüstung auf einem Knie, die Hände vors Gesicht geschlagen.
    »Den Bootsherd haben sie mitgenommen«, erklärte Brigid verächtlich, als Antwort auf eine Frage, die Toby nicht gestellt hatte, »aber nicht das, was drunter war. Jeb hatte eine Asbestplatte daruntergebaut. Der Herd war weg. Aber der Asbest war noch da. Die Bullen dachten, sie hätten überall geschaut, bevor sie mich zum Putzen reingeschickt haben. Aber sie kannten Jeb nicht. Ich schon. Und Jeb war ein Weltmeister im Verstecken. Ich wusste, dass die Fotos irgendwo da drin sein müssen – nicht dass er sie mir jemals gezeigt hat. Nie im Leben hätte er das. ›Ich hab den Beweis‹, sagte er immer. ›Ich hab es schwarz auf weiß, nur will es keiner sehen.‹ ›Beweis wofür, verdammt?‹, hab ich dann gefragt. ›Fotos vom Tatort.‹ Aber wenn ich wissen wollte, was für ein Tatort, hat mich bloß wieder diese Totenmaske angestarrt.«
    »Wer hat die Bilder gemacht?«, fragte Toby.
    »Shorty. Sein Kumpel. Der Einzige, der ihm nach ihrem Einsatz noch geblieben war. Der Einzige, der zu ihm gehalten hat, nachdem den anderen die Muffe gegangen ist. Don, Andy, Shorty – bis Wildlife waren das seine guten Freunde. Danach nicht mehr. Nur noch Shorty, bis er und Jeb ihren Streit hatten, danach war auch da Sense.«
    »Worüber haben sie gestritten?«
    »Über dieselben verkackten Bilder, die Sie da in der Hand halten. Jeb war damals noch bei uns. Krank, aber so halbwegs ging’s. Dann kam Shorty, um noch mal mit ihm zu reden, und sie hatten diesen Mordsstreit. Fast eins neunzig ist Shorty. Aber Jeb kam von unten und hat ihm in die Kniekehlen gedroschen und auf dem Weg runter die Nase gebrochen. Wie im Bilderbuch, dabei reichte Jeb ihm grad mal bis zum Nabel. Ganz große Klasse.«
    »Worüber wollte er mit Jeb sprechen?«
    »Jeb sollte ihm die Bilder zurückgeben, damit fing’s an. Bis dahin war Shorty dafür gewesen, sie in den Ministerien herumzuzeigen. Sogar an die Presse rausgeben wollte er sie. Dann hatte er es sich plötzlich anders überlegt.«
    »Warum?«
    »Weil sie ihn gekauft hatten. Diese Militärdienstleister. Ihm eine Lebensstellung angeboten, wenn er im Gegenzug den Mund hält.«
    »Haben diese Militärdienstleister einen Namen?«
    »So ein Kerl, der Crispin heißt, hatte diese tolle neue Firma gegründet, mit amerikanischem Geld. Alles superprofessionell. Das Format der Zukunft, Shorty zufolge. Die Army war ein Scheißdreck dagegen.«
    »Und Jeb zufolge?«
    »Keine Spur professionell. Profiteure nannte er sie, und Shorty wäre auch einer, sagte er zu ihm. Shorty wollte allen Ernstes, dass er bei ihnen mitmacht. Sie hatten gleich nach dem Einsatz versucht, ihn ins Boot zu holen. Damit er dichthält.

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