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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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hinterlassen, aber gewisse Risiken musste man eben eingehen. In einem Elektronikladen nur ein paar Meter vom Bahnhof entfernt kaufte er eine neue Festplatte für seinen PC und zwei gebrauchte Handys, ein schwarzes und ein silbernes, mit Prepaidkarte und garantiert voll aufgeladenem Akku – »Burner« hießen sie in den einschlägigen Kreisen, hatte er bei seinen Sicherheitsschulungen gelernt, weil ihre Besitzer sich ihrer meist schon nach wenigen Stunden wieder entledigten.
    In einem Café, das hauptsächlich ein Treff für Cardiffs Arbeitslose zu sein schien, holte er sich einen Kaffee und eine Nussschnitte und trug sie zu einem Ecktisch. Hier hatte er die Geräuschkulisse, die er brauchte. Er gab Shortys Nummer in den silbernen Burner ein und drückte »Verbinden«. Eigentlich war das Mattis Welt, nicht seine. Aber er hatte wiederholt hineingeschnuppert, und ganz fremd war ihm die Verstellungskunst nicht.
    Es klingelte und klingelte, und er fand sich schon damit ab, an eine Bandansage zu geraten, als eine aggressive Männerstimme blaffte:
    »Pike hier. Ich bin in der Arbeit. Was gibt’s?«
    »Shorty?«
    »Von mir aus Shorty. Wer spricht da?«
    Tobys eigene Stimme, nur ohne den Ministeriumsschliff:
    »Hallo, Shorty, hier ist Pete vom South Wales Argus . Hören Sie, unsere Zeitung stellt eine Seite über Jeb Owens zusammen, der letzte Woche traurigerweise Selbstmord begangen hat, wie Sie ja sicher wissen. Tod eines unbesungenen Helden , so was in dem Stil. Nach unseren Informationen waren Sie ziemlich gut mit ihm befreundet, ist das richtig? Sein bester Freund eigentlich? Sein erster Offizier sozusagen. Es hat Sie bestimmt sehr getroffen.«
    »Wo haben Sie meine Nummer her?«
    »Um es mal so zu sagen, wir haben da unsere Methoden. Hören Sie, was wir Sie fragen wollten – was der Chefredakteur gern wüsste: Könnten wir eventuell ein Interview mit Ihnen machen, ginge das? Was für ein tapferer Soldat Jeb war, Jeb, wie sein bester Freund ihn kannte, etwas in der Art, in ganz großer Aufmachung. Shorty? Sind Sie noch dran?«
    »Pete und wie noch?«
    »Andrews.«
    »Und soll das am Telefon sein oder persönlich?«
    »Na, lieber wär’s uns natürlich persönlich. Und mit Direktzitaten. Wir können es auch als Hintergrund nehmen, sicher, aber das ist immer ein Jammer. Wenn es Bereiche gibt, die vertraulich sind, werden wir das selbstredend respektieren.«
    Wieder ein längeres Schweigen, bei dem Shorty die Sprechmuschel mit der Hand abdeckte.
    »Passt Ihnen Donnerstag?«
    Donnerstag? Der pflichtbewusste Ministerialbeamte geht im Geist seinen Terminkalender durch. Zehn Uhr Abteilungsbesprechung. Zwölf Uhr dreißig Arbeitsessen im Londonderry House mit den Verbindungsoffizieren der Streitkräfte.
    »Kein Problem«, sagte er trotzig. »Was schwebt Ihnen vor? Hierher nach Wales können wir Sie ja im Zweifel nicht locken.«
    »London. Golden Calf Café, Mill Hill, elf Uhr. Okay?«
    »Wie erkenne ich Sie?«
    »Wie der Name schon sagt. Eins zwanzig mit Absätzen. Und kommen Sie allein, keine Bilder. Wie alt sind Sie?«
    »Einunddreißig«, erwiderte er zu rasch und ärgerte sich gleich darauf über sich selbst.
    ***
    Auf der Rückfahrt nach Paddington schickte Toby mit dem silbernen Burner seine erste SMS an Emily: brauche dringend med. rat, bitte auf dieser nr. die alte gilt nicht mehr. bailey.
    Und zur Sicherheit trat er auch noch auf den Gang hinaus, um in ihrer Praxis anzurufen, und geriet an ein Band:
    »Hier ist Bailey mit einer Nachricht für Frau Dr. Probyn. Ich bräuchte einen Termin, am besten heute noch. Bitte rufen Sie mich auf dieser Nummer zurück, die Nummer, die Sie haben, ist nicht mehr gültig. Danke.«
    In der Stunde, die folgte, hatte er das Gefühl, an nichts anderes zu denken als an Emily, was in Wahrheit hieß, dass er an tausend Dinge dachte, die ganze Palette ab Giles Oakleys Fahnenflucht rauf und wieder runter, aber wohin seine Gedanken auch wanderten, Emily wanderte mit.
    Ihre Antwort auf seine SMS , wiewohl karg, versetzte ihn in eine ungeahnte Hochstimmung:
    Meine Schicht geht bis Mitternacht, entweder Notaufnahme oder Ersteinschätzung.
    Keine Unterschrift. Noch nicht mal ein E.
    In Paddington war es acht vorbei, als er ausstieg, aber er hatte seine neue Einkaufsliste schon fertig im Kopf: eine Rolle Paketband, Einwickelpapier, ein halbes Dutzend wattierte A 5 -Umschläge und eine Schachtel Kleenex. Der Kiosk in der Bahnhofshalle hatte schon zu, aber in der Praed Street bekam er alles, was er

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