Empfindliche Wahrheit (German Edition)
Mr. Paul in Cornwall vielleicht irgend so ein Psychoheini, zu dem Jeb gerannt ist?«, wollte Brigid wissen.
»Nein. Kein Psychoheini, tut mir leid.«
»Und Sie sind kein Pressefuzzi? Wissen Sie das auch ganz sicher?«
»Ganz sicher.«
»Und wenn Sie nicht von der Presse sind, Mr. Bell, und Ihr Kumpel Paul kein Psychoheini, was zum Henker sind Sie dann?«
»Also, Brigid«, mahnte Harry.
»Ich bin rein privat hier«, sagte Toby.
»Und was sind Sie rein offiziell, wenn man fragen darf?«
»Offiziell arbeite ich fürs Außenministerium.«
Aber anstelle des befürchteten Ausbruchs erntete er nur einen langen, kritisch musternden Blick.
»Und Ihr Freund Paul? Ist der möglicherweise auch vom Außenministerium?« – ohne die Augen von ihm zu wenden, die groß und grün waren.
»Paul ist im Ruhestand.«
»Und könnte Paul jemand sein, den Jeb vor, sagen wir, drei Jahren kannte?«
»Ja.«
»Dienstlich damals?«
»Ja.«
»Und hätte das zufällig das Thema ihres kleinen Gipfeltreffens sein können, wenn sich Jeb nicht einen Tag vorher das Hirn rausgepustet hätte? Irgendwas Dienstliches von vor drei Jahren?«
»Ja. Ganz richtig«, antwortete Toby mit fester Stimme. »Das war die Verbindung zwischen ihnen. Sie kannten sich nicht gut, aber sie waren auf dem Weg dazu, Freunde zu werden.«
Ihr Blick war nicht eine Sekunde von seinem Gesicht gewichen und tat es auch jetzt nicht:
»Harry, ich mach mir Sorgen um Danny. Wärst du so lieb und schaust kurz rüber zu Jenny? Nicht dass er von seinem Fahrrad gefallen ist, er hat das Scheißding schließlich erst einen Tag.«
***
Toby und Brigid waren allein, und eine Art verhaltenen Einvernehmens bildete sich zwischen ihnen, während jeder darauf wartete, dass der andere sprach.
»Soll ich jetzt beim Außenministerium in London anrufen und nachfragen, oder wie?«, fragte schließlich Brigid, aber weit weniger aggressiv als zuvor. »Mir bestätigen lassen, dass Mr. Bell der ist, für den er sich ausgibt?«
»Ich glaube nicht, dass Jeb das recht gewesen wäre.«
»Und Ihr Freund Paul? Wäre es dem recht?«
»Nein.«
»Und Ihnen auch nicht?«
»Mich würde es meinen Job kosten.«
»Diese Unterhaltung, die sie miteinander führen wollten. Kann es sein, dass sie über eine gewisse Operation Wildlife gehen sollte?«
»Wieso? Hat Jeb Ihnen davon erzählt?«
»Von der Operation? Machen Sie Witze? Mit glühenden Zangen hätten Sie nichts darüber aus ihm rausgebracht. Wildlife hat ihm gestunken, aber Dienst ist Dienst.«
»Inwiefern gestunken?«
»Jeb hatte schon immer was gegen Söldner. Wichser, denen es nur um den Kick und die Knete geht. Halten sich für Helden, dabei sind es durch die Bank Irre. ›Ich kämpfe für mein Land, Brigid. Nicht für diese Scheißmultinationalen mit ihren Auslandskonten.‹ Scheiß hat er natürlich nicht gesagt, Wichser auch nicht. Jeb war Freikirche. Keine Flüche, kein Alkohol oder höchstens mal zwei Schlückchen. Keine Ahnung, was ich bin. Gut, Protestantin. Muss ich ja, oder, wenn ich bei der Royal Ulster Constabulary war.«
»Und es waren die Söldner, die ihn an Wildlife gestört haben? Das hat er über diese spezielle Operation gesagt?«
»Nur allgemein. Einfach Söldner an sich. Die hat er gehasst, zum Kotzen fand er die. ›Schon wieder so ein Söldner-Job, Brigid. Da fragt man sich, wer heutzutage die Kriege anfängt.‹«
»Hatte er noch andere Bedenken hinsichtlich der Operation?«
»Gefreut hat er sich nicht drauf, aber was soll’s.«
»Und danach? Als er von dem Einsatz zurückkam?«
Sie schloss die Augen, und als sie sie wieder öffnete, hatte ihr Blick etwas in sich Gekehrtes, Verstörtes:
»Er war ein Geist. Ausgebrannt. Konnte kaum Messer und Gabel halten. Hat mir immer wieder den Brief von seinem geliebten Regiment gezeigt: Danke und tschüs und vergiss nie das Gesetz über Landesverrat und die Gefährdung der äußeren Sicherheit . Ich hatte gedacht, ihn kann nichts mehr umwerfen. Uns beide nicht, dachte ich. Nordirland. Blut und Leichenteile überall, die Knieschüsse, die Bomben, die Lynchmorde. Heilige Scheiße.«
Sie atmete ein paarmal tief durch, ehe sie fortfuhr:
»Bis dich dann doch etwas umwirft. Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die eine Sache zu viel, die deinen Namen trägt und dich nicht mehr loslässt. Diese eine Bombe auf dem Marktplatz. Die Busladung Schulkinder, die es in Fetzen reißt. Oder einfach nur ein toter Hund in einem Straßengraben, oder du hast dich
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