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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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ruhig, such dir einen sicheren Platz für dein Opus und kümmer dich um Mum. Und lass Toby hier so vorgehen, wie er es für richtig hält, weil er nämlich wirklich alle Register zieht.«
    Das wette ich, dass dieser hinterfotzige Schleimer die zieht – aber er verkneift es sich gerade noch, das zu sagen, ein Wunder eigentlich, denn in einer Situation, in der diese Ratte Bell ihm vorschreibt, was er zu tun und zu lassen hat, mit Schützenhilfe von Em auch noch, während Mrs. Marlow ihr Ohr ans Schlüsselloch drückt und der arme Jeb ein Häuflein Asche in einer Urne ist, liegt ihm weiß Gott noch ganz anderes auf der Zunge.
    ***
    In dem fieberhaften Versuch, Klarheit in seine Gedanken zu bringen, geht er einmal mehr zum Anfang zurück.
    Er steht in Gummistiefeln in Mrs. Marlows Küche, und die Waschmaschine rumpelt, und er hat ihr befohlen, das verdammte Ding abzuschalten, sonst versteht er kein Wort.
    Dad, ich bin’s, Emily.
    Das weiß ich, dass du das bist. Alles in Ordnung bei dir? Was ist passiert? Wo steckst du?
    Dad, ich muss dir etwas sehr Trauriges sagen. Jeb ist tot. Hast du gehört, Dad? Dad?
    O du mein Gott.
    Dad? Es war Selbstmord, Dad. Jeb hat sich erschossen. Mit seiner eigenen Pistole. In seinem Bus.
    Nie im Leben. Völliger Blödsinn. Er war auf dem Weg hierher. Wann?
    Dienstagabend. Vor einer Woche.
    Wo?
    In Somerset.
    Das kann nicht sein. Dienstagabend, sagst du? Diese Ärztin, die gar keine war, hat mich am Freitag angerufen!
    Doch, leider, Dad.
    Ist er identifiziert worden?
    Ja.
    Von wem? Auch wieder diese Schwindlerin, oder wie?
    Von seiner Frau.
    Jesusmaria.
    ***
    Sheba winselte. Kit bückte sich und klopfte ihr tröstend das Fell, dann starrte er grimmig geradeaus, während er im Geist wieder im ersten Morgengrauen mit Jeb an der Treppe im Club stand und seine gedämpften Abschiedsworte hörte:
    Irgendwann denkt man, man ist völlig allein. Verkauft und verraten von allen. Und immer sieht man diese beiden Leichen vor sich, die Mutter und ihr Kind. Man gibt sich die Schuld an allem. Und das tu ich jetzt nicht mehr, verstehen Sie? Wenn Sie nichts dagegen haben, Sir Christopher, würde ich Ihnen gern die Hand schütteln.
    Mit derselben Hand, mit der er sich die Kugel gegeben haben soll. Ein fester Druck, ein festes Dann Mittwoch um neun im Gutshaus , und ich verspreche feierlich, dass ich ihm aufkochen werde, so viele Rühreier, wie er nur will, weil Rühreier seine Leibspeise sind.
    Aber Kit wollte er nicht zu mir sagen, obwohl ich ihn dazu aufgefordert habe. Fand es nicht respektvoll genug, wo ich doch Sir Christopher bin. Und ich sag ihm noch, dass ich den verdammten Titel sowieso nicht verdiene. Und er gibt sich die Schuld an Greueln, die er gar nicht begangen hat. Und jetzt bekommt er die Schuld an noch einem Greuel, den er nicht begangen hat: Selbstmord.
    Und was soll ich dabei tun? Heiliges Kanonenrohr! Meine Anklageschrift auf dem Heuboden verstecken, alles dieser Ratte Bell überlassen und selber schön brav den Mund halten.
    Na, vielleicht hab ich ihn verdammt noch mal viel zu lange gehalten!
    Vielleicht ist das ja mein Problem. Wegen Nichtigkeiten in die Luft gehen, aber nicht Manns genug sein, ein paar unbequeme Fragen zu stellen. Was an dem Strand hinter den Häusern tatsächlich passiert ist, zum Beispiel. Oder warum man mir einen gemütlichen Austragsposten in der Karibik nachschmeißt, wenn es ein halbes Dutzend Ranghöhere gibt, die ihn viel eher verdient haben als ich.
    Und es war auch noch seine eigene Tochter, die ihm hier einen Maulkorb umlegte, angestiftet von diesem Jungspund Bell, der auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzte und damit durchkam und der jetzt (ihm stieg schon wieder die Galle hoch) auch noch die gute Em einwickelte, so dass sie – ganz gegen besseres Wissen ja offenbar! – ihre Nase in Angelegenheiten steckte, von denen sie einen Dreck wusste bis auf das, was sie gegen alle Regeln belauscht oder von ihrer Mutter aufgeschnappt hatte.
    Und nur, damit das klar war: Wenn jemand Em über die Operation Wildlife und verwandte Themen reinen Wein einschenkte, dann würde das nicht diese Ratte Bell sein, dessen einziges Verdienst darin bestand, seinem Minister nachspioniert zu haben, und auch nicht Suzanna. Es würde ihr eigener verdammter Vater sein, und zwar wann und wie es ihm passte.
    Derlei unkoordinierte Gedanken dröhnten ihm wütend zwischen den Schädelwänden, während er über den nebligen Hof zurück zum Haus stapfte.
    ***
    Mit einem Höchstmaß an

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