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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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eingebildet, Männer mit einem Grant wegen Pensionen, Gratifikationen, die sich in irgendwelche Phantasien flüchten, ihre Lebensgeschichte neu erfinden und damit zum Anwalt rennen, wenn man ihnen nicht rechtzeitig einen Maulkorb anlegt. Aber dieser kleine Mistkerl ist eine Klasse für sich.« Nachsichtiger Seufzer, neuerliches melancholisches Kopfschütteln. »Und er hat so tolle Arbeit geleistet seinerzeit. Was es nur noch tragischer macht. Glaubwürdig wie nur was. Herzzerreißende Briefe an seinen Parlamentsabgeordneten, ans Verteidigungsministerium, alle. Der Giftzwerg heißt er bei uns in der Zentrale. Aber lassen wir das.« Noch ein Seufzer, diesmal ein nahezu stummer. »Und Sie sind sich ganz sicher, dass es eine Zufallsbegegnung war? Er hat Sie nicht irgendwie aufgespürt?«
    »Reiner Zufall«, behauptete Kit mit mehr Überzeugung, als er mittlerweile empfand.
    »Könnten die Lokalzeitung oder der Radiosender bei Ihnen unten in Cornwall eventuell angekündigt haben, dass Sir Christopher und Lady Probyn die Veranstaltung mit ihrer Gesellschaft beehren werden?«
    »Schon möglich.«
    »Dann war das vielleicht der Aufhänger.«
    »Auf keinen Fall«, erklärte Kit trotzig. »Jeb kannte ja meinen Namen gar nicht, bis er auf dem Bailey’s Green ankam und eins und eins zusammengezählt hat« – froh um jede Möglichkeit, die Entrüstung aufrechtzuerhalten.
    »Und Ihr Bild ist auch nirgends erschienen?«
    »Nicht dass ich wüsste. Das hätte Mrs. Marlow uns erzählt. Unsere Haushälterin«, sagte er herausfordernd. Und um jeden Zweifel zu beseitigen: »Und sollte ihr etwas entgangen sein, würde ihr das ganze Dorf Meldung machen.«
    Der Kellner wollte wissen, ob es noch einmal das Gleiche sein dürfe. Danke, nein, sagte Kit. Crispin sagte, noch mal zwei bitte, und Kit erhob keinen Einspruch.
    »Möchten Sie, dass ich Ihnen etwas mehr über unsere Branche erzähle, Kit?«, fragte Crispin, als sie wieder allein waren.
    »Weiß nicht. Geht mich nichts an.«
    »Ich tu’s trotzdem. Wissen Sie, Sie haben Ihre Sache im Foreign Office großartig gemacht, keine Frage. Sie haben sich den Arsch aufgerissen für unser Land und sich Ihre Pension und Ihren Titel mehr als verdient. Aber als Staatsbeamter waren Sie ein Ermöglicher – wenn auch zugegebenermaßen ein verdammt guter. Sie waren nie ein aktiver Mitspieler . Nie ein Jäger und Sammler im Unternehmensdschungel, um es mal so zu sagen. Oder? Geben Sie’s zu.«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen«, knurrte Kit.
    »Ich rede von Anreizen «, erklärte Crispin geduldig. »Ich rede von dem, was die Normalsterblichen dazu treibt, jeden Morgen aus dem Bett aufzustehen: Geld. Knete. Der schnöde Mammon. Und in meinem Geschäft, anders als in Ihrem, bedeutet das immer auch die Frage danach, wer alles ein Stück vom Kuchen abbekommt, wenn eine Operation so erfolgreich ist wie Wildlife. Und was für Animositäten daraus entstehen können. Bis zu dem Grad, dass Leute wie Jeb Anspruch auf die halbe Bank of England zu haben glauben.«
    »Sie scheinen zu vergessen, dass Jeb in der Armee war«, warf Kit hitzig ein. »In der britischen Armee. Und wie ich zufällig weiß, hatte er nicht viel am Hut mit Prämienjägern. Für ihn waren sie ein notwendiges Übel. Er war stolz darauf, Soldat Ihrer Majestät zu sein, das genügte ihm. Exakt seine Worte. So leid es mir tut« – richtiggehend echauffiert jetzt.
    Crispin nickte verhalten in sich hinein, als wären ihm seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt worden.
    »Ach Gott. Ach, Jeb. Ach je. Das hat er allen Ernstes gesagt, ja? Mann, Mann, Mann.« Er riss sich zusammen. »Der Soldat Ihrer Majestät hat nichts am Hut mit Prämienjägern, will aber den Löwenanteil von der Prämie? Ich fass es nicht. Hut ab, Jeb. Die Heuchelei klettert in neue Höhen. Und als er nicht kriegt, was er fordert, dreht er sich um und scheißt Ethical vor die Tür. Was für ein scheinheiliger kleiner« – die gute Kinderstube hinderte ihn daran, den Satz zu Ende zu sprechen.
    Doch auch dadurch ließ Kit sich nicht abschrecken.
    »Hören Sie, das tut doch alles nichts zur Sache. Ich warte noch immer auf meine Antwort. Und Suzanna auch.«
    »Antwort worauf, mein Lieber?«, fragte Crispin, der immer noch irgendwelchen Stimmen in seinem Innern nachzulauschen schien.
    »Die Antwort, deretwegen ich hergekommen bin, verflucht noch mal. Ja oder nein? Vergessen Sie Belohnungen, Prämien, diesen ganzen Kram. Völlig falsche Fährte. Meine Frage ist, erstens:

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