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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Nord-Cornwall, wann immer es Ihnen beliebt – Voranmeldung per E-Mail, Telefon oder Brief weder nötig noch ratsam.
    Unser Haus befindet sich gegenwärtig im Umbau, aber wir haben reichlich Platz, um Sie zu beherbergen. Ich wende mich gezielt zu Beginn des Wochenendes an Sie, um Ihr Kommen dadurch womöglich zu beschleunigen.
    Mit den besten Grüßen
    Ihr Christopher (Kit) Probyn.
    P.S. Lageplan + Wegbeschreibung liegt bei. CP
    P.P.S. Habe Ihre Adresse unter einem Vorwand von einem ehemaligen Kollegen erlangt. CP
    Eine merkwürdige Ruhe senkte sich über Toby, als er das las, ein Gefühl der Erfüllung, der Rehabilitierung. Drei Jahre hatte er auf ein solches Zeichen gewartet, und hier war es nun, hier vor ihm auf dem Küchentisch lag es. Selbst während der stürmischsten Zeiten in Beirut – inmitten von Bombenwarnungen, Entführungsdrohungen, Ausgangssperren, Attentaten und heimlichen Treffen mit unberechenbaren Milizionären – waren die mysteriöse Operation-die-nie-stattfand und Giles Oakleys unerklärliche Hundertachtzig-Grad-Wende ein Stachel in seinem Fleisch geblieben. Dass Fergus Quinn, der große Hoffnungsträger der Downing Street, nur Tage nach Tobys Hauruck-Versetzung nach Beirut seinen Entschluss bekanntgegeben hatte, sich aus der Politik zurückzuziehen und einen Posten als rüstungspolitischer Berater für eines der Emirate anzunehmen, hatte den Klatschkolumnisten Stoff geliefert, darüber hinaus aber keine wesentlichen Erkenntnisse zutage gefördert.
    Ohne sich etwas überzuziehen, eilte er zum Computer. Christopher (Kit) Probyn, geboren 1950 , Marlborough College, dann Caius College, Cambridge, Abschluss in Biologie und Mathematik, füllte einen kurzen Absatz im Who’s Who . Verheiratet mit Suzanna geb. Cardew, eine Tochter. Abordnungen nach Paris, Bukarest, Ankara, Wien, im Anschluss diverse Inlandsposten, dann Hochkommissar einer Gruppe von Karibikinseln. Dort von der Queen in den Adelsstand erhoben, seit einem Jahr pensioniert.
    Diese wenigen harmlosen Zeilen nur – und plötzlich stimmte das Bild.
    Und ob wir einen gemeinsamen Bekannten namens Paul haben, Sir Christopher!
    Und ja, Kit, ich kann die Natur Ihres Anliegens erraten und begreife sehr gut, warum es Ihnen nicht freisteht, an dieser Stelle deutlicher zu werden!
    Und ich wundere mich kein bisschen, dass weder E-Mail, Telefon noch Brief nötig oder ratsam sind. Denn Paul ist Kit, und Kit ist Paul! Und zusammen ergebt ihr einen Unterflieger und ein rotes Telefon und appelliert an meine Menschlichkeit. Tja, Kit – tja, Paul –, euer Appell soll nicht vergebens sein.
    ***
    Als Single in London hatte Toby ganz bewusst kein Auto. Es kostete ihn zehn entnervende Minuten, dem Internet einen Zugfahrplan zu entringen, und weitere zehn, sich einen Mietwagen ab Bodmin Parkway zu organisieren. Mittags saß er schon im Speisewagen, und vor seinem Fenster krochen die welligen Felder Südwestenglands in einem solchen Schneckentempo vorbei, dass er jede Hoffnung aufgab, vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen. Doch, o Wunder, am späten Nachmittag steuerte er einen übergroßen Kombi mit schleifender Kupplung und schwammiger Lenkung schmale Sträßchen entlang, Tunnels aus Laubwerk, durch das vereinzelte Sonnenspeere stachen. Nicht lange, und er erkannte die versprochenen Orientierungspunkte: die Furt, die Haarnadelkurve, das einsame Telefonhäuschen, ein Sackgassenschild und schließlich den Meilenstein mit der Aufschrift ST . PIRRAN 2 MEILEN .
    Er fuhr einen steilen Hügel hinab und weiter zwischen Korn- und Rapsfeldern mit Grenzmäuerchen aus Granitstein. Eine Handvoll Bauernhäuser tauchten vor ihm auf, dann ein paar verstreute moderne Bungalows, als Nächstes eine gedrungene Granitkirche, eine Dorfstraße und an ihrem Ende, auf einer kleinen Anhöhe ganz für sich, das Gutshaus, ein hässlicher Bau aus dem neunzehnten Jahrhundert mit säulengeschmückter Veranda und einem überdimensionalen Eisentor, auf dessen prunkvollen Pfosten zwei Steinlöwen wachten.
    Toby fuhr daran vorbei, ohne abzubremsen. Er war unser Mann in Beirut, darauf gedrillt, nichts dem Zufall zu überlassen. Ein schräg den Hügel hinaufführender Feldweg brachte ihn zu einer Stelle, von wo aus er Blick auf ein Sammelsurium steiler, leiternbewehrter Schieferdächer, eine Reihe verfallener Treibhäuser und ein Stallgebäude mit einem Uhrenturm ohne Uhr hatte. Neben einem Sandhaufen in der Mitte des Hofs stand eine Betonmischmaschine. Unser Haus befindet sich gegenwärtig im

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