Empfindliche Wahrheit (German Edition)
irgendetwas Anstalten gemacht hat – fragt Jeb mit leicht benommener Stimme, ob es vielleicht irgendwo etwas zu essen gibt. Nicht so sehr, weil er hungrig wäre, erklärt er – da meldet sich wieder der Stolz zu Wort, mutmaßt Kit –, nein, einfach, um den Tank aufzufüllen.
Kit bedauert, dass er nichts bei sich hat, will aber gern schauen, ob sich nicht beim Nachtportier etwas für sie auftreiben lässt. Jeb reagiert auf diesen Vorschlag mit einem weiteren ausgedehnten Schweigen.
»Schien mir ein bisschen neben sich zu stehen, der arme Kerl. So als hätte er den Faden verloren und wüsste beim besten Willen nicht, wie er ihn wieder aufnehmen soll. Kenn ich gut, dieses Gefühl.«
Doch nach einer Weile reißt Jeb sich als guter Soldat zusammen, kramt den Zimmerschlüssel aus seiner Tasche und gibt ihn heraus. Kit steht vom Bett auf und zieht seine Jacke an.
»Ist Käse recht?«
Käse geht in Ordnung, sagt Jeb. Aber nur ganz normalen bitte, mit diesem Schimmelzeug kann man ihn jagen. Kit denkt, das ist das Ende seiner Rede, aber da hat er sich getäuscht. Jeb muss ihm noch etwas mit auf den Weg geben, ehe Kit zum Käseholen aufbricht.
»Es war ein einziger Haufen Lügen, verstehen Sie, Paul«, sagt er, als Kit schon an der Tür steht. »Punter war gar nicht in Gibraltar. Das war pure Erfindung. Und Aladin hatte auch keine Verabredung mit ihm, weder bei diesen Häusern noch sonst irgendwo, verstehen Sie?«
Kit versteht genug, um nichts zu sagen.
»Die haben ihn reingelegt. Die von Ethical. Diesen Minister von Ihnen, Mr. Fergus Quinn. Jay Crispin, der grandiose Ein-Mann-Geheimdienst. Sie haben Quinn an der Nase rumgeführt, und er dann wieder uns. Gut, gibt ja auch keiner gern zu, dass er einen Koffer mit ein paar Millionen Dollar abgeliefert und dafür nichts gekriegt hat als heiße Luft, oder?«
Mhm, sagt Kit.
Jebs Gesicht ist wieder im Schatten, und er lacht entweder lautlos, oder aber – reine Vermutung – er weint. Kit zögert auf der Schwelle, nicht recht willens, ihn allein zu lassen, aber ihn zu sehr betütteln will er auch nicht.
Jebs Schultern kommen zur Ruhe. Kit macht sich auf den Weg.
***
Zurückgekehrt von seinem Beutezug, rückt Kit den Nachttisch in die Zimmermitte und zieht von beiden Seiten einen Stuhl heran. Dann deckt er auf: ein Messer, Brot, Butter, Cheddarkäse, zwei Flaschen Bier und dazu ein Glas Branston-Pickle-Gemüsepaste, das der Nachtportier ihm, beflügelt durch die zwanzig Pfund Trinkgeld, noch zusätzlich aufgenötigt hat.
Das Brot ist weiß und für das morgige Frühstück bereits aufgeschnitten. Jeb legt sich eine Scheibe auf die flache Hand, streicht Butter darauf, säbelt den Käse zurecht und verteilt ihn auf dem Brot, bis ein geschlossenes Mosaik entstanden ist. Dann verstreicht er die Gemüsepaste auf dem Käse, klappt eine zweite Brotscheibe darüber und schneidet das Sandwich methodisch in Viertel. Kit, dem solche Pedanterie bei einem Special-Forces-Soldaten unnatürlich vorkommt, schiebt es auf Jebs aufgewühlten Gemütszustand und macht sich taktvoll mit dem Bier zu schaffen.
»Wir also den Hang runter zu den Häusern, wissen Sie ja«, fährt Jeb fort, als der ärgste Hunger gestillt ist. »Was hätten wir sonst auch machen sollen. Klar, wir hatten unsere Bedenken. Fix, find and finish? So ganz koscher kam uns das nicht vor, erst recht nicht, wo Andy ja schon mal früher mit Elliot zu tun gehabt hatte und nicht sonderlich viel von ihm hielt, von seinen Fähigkeiten nicht und von seinen Quellen ehrlich gesagt auch nicht. Sapphire, so hieß unsere Quelle, das hatte uns Elliot bei der Vorbesprechung schon gesagt.«
»Was für eine Vorbesprechung, Jeb?«, unterbricht Kit, kurzzeitig verstimmt darüber, dass ihn keiner dazugeladen hat.
»In Algeciras, Paul«, erwidert Jeb geduldig. »Vor der Operation. Drüben auf dem Festland. Unmittelbar bevor wir unseren Posten oben am Hang bezogen haben. In einem Saal über einem Restaurant, wir mussten alle so tun, als ob es ein Geschäftsmeeting wäre. Und Elliot oben auf dem Podium verkündet, wie alles zu laufen hat, und seine zusammengewürfelte amerikanische Freibeutertruppe in der ersten Reihe schaut uns mit dem Arsch nicht an, weil wir Tommys sind. Quelle Sapphire sagt dies, Quelle Sapphire sagt das. Zumindest laut Elliot. Für alles wird Sapphire zitiert, und Sapphire sitzt mit Aladin auf seiner Nobelyacht. Sie ist Aladins Geliebte, und ich weiß nicht, was sie sonst noch alles ist, so viel Insiderwissen, wie sie
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