Empfindliche Wahrheit (German Edition)
mitbekommen haben will. E-Mails, die sie über seine Schulter liest, Telefonate, die sie vom Bett aus mithört, und dann, husch, husch, rauf an Deck, wo sie alles ihrem echten Freund in Beirut steckt, der es Mr. Crispin von Ethical verklickert, und fertig ist die Laube.«
Er gerät kurz aus den Tritt, fängt sich wieder, redet weiter:
»Nur dass in der Laube nicht für alle Platz ist. Für Ethical, ja. Aber nicht für unsere britischen Nachrichtendienstler. Denn der britische Nachrichtendienst will nicht so recht mitmachen bei der Sache. Und das Regiment zieht auch nicht – oder jedenfalls nicht richtig. Dem Regiment ist die Sache suspekt – kein Wunder. Aber außen vor bleiben wollen sie auch nicht. Und sie mögen schon gar keinen politischen Druck. Was rauskommt, ist ein typisch britischer Kompromiss: Wir strecken einen Zeh ins Wasser, aber um Gottes willen nicht den ganzen Fuß. Und der Zeh, das sind meine Jungs und ich. Und Jeb übernimmt das Kommando, weil der gute alte Jeb der Verlässliche ist. Ein Korinthenkacker vielleicht, aber wenn dieser Draufgängertrupp mitmischt, kann das nicht schaden. Granny Jeb, so hieß ich bei allen. Mir war’s recht, solange ich dadurch unnötige Risiken vermeiden konnte.«
Jeb trinkt einen Schluck Bier, schließt die Augen: weiter.
»Haus Nummer sieben, hieß es. Na gut, dachten wir, nehmen wir sechs und acht lieber auch noch dazu, pro Mann ein Haus und ich zur Verstärkung, war ja eh alles ein bisschen planlos, mit Elliot am Drücker. Ein bisschen dilettantisch, wenn man ehrlich sein will, die halbe Ausrüstung funktionierte nicht richtig, aber das war denen egal. Eine echte Mickymaus-Truppe war das. Aber die Zielpersonen waren ja eh nicht bewaffnet! Jedenfalls laut Elliots fabelhafter Quelle nicht. Und wir brauchten ja nur den einen, und dem anderen durfte kein Haar gekrümmt werden. Gehen wir also lieber in alle drei Häuser gleichzeitig, haben wir uns gesagt, und suchen Zimmer für Zimmer ab. Schnappen uns unseren Mann, vergewissern uns, dass es der richtige ist, verfrachten ihn über den Balkon runter zu Elliots Leuten, immer schön mit beiden Füßen auf britischem Boden. Ganz einfach. Wir hatten den Grundriss von allen drei Häusern, es war überall der gleiche. Ein schönes Wohnzimmer mit großem Balkon zum Meer raus. Ein Elternschlafzimmer, auch mit Meerblick, und ein winzig kleines Kinderzimmer. Bad und Wohnküche ganz unten, und die Wände dünn wie Papier, das wussten wir aus dem Maklerexposé. Wenn also nichts zu hören ist außer der Brandung, verstecken sie sich entweder, oder es ist keiner da. Schön vorsichtig sein, Kinder, Waffen nur zur Selbstverteidigung gebrauchen, keine Sekunde länger drinbleiben als nötig – nach Einsatz fühlte sich das schon mal nicht an. Mehr nach Räuber und Gendarm. Die Jungs gehen also rein, einer pro Haus. Ich stehe draußen und behalte die Treppenabgänge zum Strand runter im Blick. ›Nichts.‹ Das ist Don in der Nummer Sechs. ›Nichts.‹ Das ist Andy in der Acht. ›Ich hab hier was.‹ Das ist Shorty aus der Sieben. ›Was hast du, Shorty?‹ ›Spuren.‹ ›Spuren wovon, Mann?‹ ›Schau’s dir selber an, Mann.‹
Gut, ein leeres Haus kann man auch vortäuschen, keine Frage, aber die Sieben war richtig leer. Keinerlei Abrieb auf dem Parkett. Nicht ein Haar in der Badewanne. Küche genauso. Bis auf dieses Plastikschälchen auf dem Boden, rosa Plastik, mit Bröckchen von Pitabrot und Hühnerfleisch drin, kleingeschnetzelt wie für« – er sucht nach dem richtigen kleinen Lebewesen – »eine Katze, ein Katzenjunges.« Aber Katze trifft es nicht: »Oder ein Hundewelpe, irgend so was. Und die Schale, die rosa Schale, war warm . Wenn sie nicht auf dem Boden gestanden hätte, wären meine Gedanken wahrscheinlich in eine andere Richtung gegangen. Nicht zu Katzen oder Hunden, sondern … Wenn, wenn, wenn. Wenn ich in eine andere Richtung gedacht hätte, wäre es nicht passiert, oder? Aber das habe ich nicht. Ich dachte an eine Katze oder einen Hund. Und das Essen in der Schale fühlte sich auch warm an. Ich zog den Handschuh aus und spürte es mit den Fingerknöcheln. Wie ein warmer Körper. In der Wand zur Außentreppe war ein kleines Milchglasfenster. Der Riegel zurückgeschoben. Man hätte ein Zwerg sein müssen, um durch so eine enge Öffnung zu kriechen. Aber vielleicht suchten wir ja nach einem Zwerg. Ich funkte zu Don und Shorty hoch: Überprüft die Außentreppen, aber geht nicht runter ans Wasser, wenn
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