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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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sich seine Welt veränderte, fuhr ich am Nachmittag mit ihm nach Oakridge und half ihm, bei einem Juwelier in der Altstadt einen Verlobungsring und zwei Trauringe zu kaufen.
     
    Der Abend war ein voller Erfolg. Stan ging mit dem Verlobungsring in der Hand zu Rosie. Als er wiederkam, hatte er Rosie und Millicent im Schlepptau, und Rosie trug den Verlobungsring. Marla machte ein großes Aufheben um Rosie und ließ sie die Hand ausstrecken, damit der Diamant im Licht funkelte. Rosie ließ die Aufmerksamkeit wie immer mit gesenktem Kopf und herabhängenden Armen über sich ergehen, aber hin und wieder umspielte ein zaghaftes, staunendes Lächeln ihre Mundwinkel, und man sah unschwer, dass sie sich zumindest an diesem Tag glücklich fühlte.
    Millicent trank Wein mit Marla und mir; später machten wir gemeinsam Essen. Stan und Rosie hielten unter dem Tisch Händchen, wir zündeten das Kaminfeuer und Kerzen an und löschten das Licht, sodass die Nacht zu einer Abfolge leuchtender Fresken wurde. Und ich war endlich zu Hause, nach so vielen Jahren in der Fremde. Ich war bei meinem Bruder, als ihm etwas Bedeutendes und Gutes widerfuhr. Jenseits der Gläser und Teller strahlte sein Gesicht vor Glück, und ich sah, dass er – wenigstens in diesen wenigen Stunden im Feuerschein – einen Punkt erreicht hatte, an dem er sich so gut fühlte wie jeder andere, an dem es keine Unterschiede mehr zwischen ihm und dem Rest der Welt gab.
    Gegen zehn Uhr gingen Millicent und Rosie nach Hause. Es war nicht ungewöhnlich, dass Stan die Nacht bei Rosie verbrachte, doch jetzt, da die Hochzeit eine ausgemachte Sache war, zog er sich von ritterlichen Idealen erfüllt in sein eigenes Zimmer zurück.
    Marla und ich blieben vor dem Kaminfeuer sitzen und sahen zu, wie es zu Schlacke verbrannte. Sie hatte an dem Abend teilgenommen, doch ich wusste, was für eine Anstrengung es für sie gewesen sein musste, und jetzt, da alle gegangen waren, kam wieder dieses trostlose Unglück über sie. Sie fühlte sich leblos und lethargisch in meinen Armen an. Ich hatte ihr von meiner Konfrontation mit Gareth erzählt und dass er zugab, Pats Selbstmord sei sein Versuch gewesen, zu verhindern, dass mein Vater das Land in Empty Mile bekam.
    »Aber er hat nicht zugegeben, dass er ihn ermordet hat.«
    »Hättest du das erwartet?«
    »Vermutlich nicht.«
    »Hat er sich überhaupt dazu geäußert?«
    »Nein. Was meinst du? Was hätte er sagen sollen?«
    Marla schüttelte den Kopf und antwortete nicht. Einen Augenblick später stand sie auf und zog mich ins Schlafzimmer. Sie öffnete eine Schublade ihrer Kommode, schob einen Stapel Unterwäsche zur Seite und holte etwas heraus, das in ein Tuch eingeschlagen war. Sie legte das Bündel auf das Bett und öffnete es behutsam.
    Die Waffe war ein hässliches, schwarzes Ding. Sie lag da auf dem Tuch wie ein tödliches Reptil, dessen bedrohliche Präsenz einen Großteil des Lichts in dem Zimmer aufzusaugen schien.
    Marla wartete auf meine Reaktion und sah begierig und ängstlich zugleich aus.
    »Ich habe sie heute besorgt.«
    »Eine Waffe? Herrgott, Marla, was hast du dir dabei gedacht?«
    Ihr Anflug von Tatendrang kam schlagartig zum Erliegen, und plötzlich machte sie einen verzweifelten Eindruck. »Ich ertrage es nicht mehr, Johnny. Dass Gareth jeden Tag hier ist, in unserer Welt, und in unser Haus kommt, verdammt noch mal. Mich ständig so ansieht … ich kann damit nicht leben. Ich kann es nicht!«
    Sie sah sich hektisch in dem Zimmer um, als suchte sie nach Hilfe, dann hob sie die Waffe hoch und hielt sie mir mit beiden Händen hin.
    »Wir können sie benutzen, Johnny. Für Ray. Für uns. Er hat es verdient.«
    »Marla, also wirklich! Wir sind doch keine Killer!«
    »Aber sind wir nicht genau das? Jeremy Tripp ist nicht allein gestorben. Du warst das. Und ich weiß davon. Verdammt schwer, da nicht von Mord zu sprechen.«
    »Es ist etwas anderes, vor jemanden hinzutreten und ihn kaltblütig zu erschießen.«
    »Inwiefern?«
    »Scheiße, Marla, das ist Wahnsinn. Ich kann nicht glauben, dass wir überhaupt darüber reden.«
    »Johnny, er muss weg!«
    »Also erschießen wir ihn und verbringen den Rest unseres Lebens im Gefängnis. Toller Plan.«
    »Bei Jeremy Tripp bist du davongekommen.«
    »Herrgott, hör auf!«
    Von der offenen Tür hinter uns war das Schlurfen von Pantoffeln zu hören, dann Stans schlaftrunkene Stimme.
    »Warum schreit ihr denn so? Oh …«
    Ich drehte mich um und sah ihn gebannt in der Tür stehen,

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