Empty Mile
Millicent kauften sich Ton in Ton gehalten Kleider, Stan und ich liehen uns Fräcke. An diesem Tag sahen wir wie eine normale Hochzeitsgesellschaft aus, geschniegelt und gestriegelt und lächelnd.
Die drei Frauen hatten die Nacht in Millicents Haus verbracht, und während Stan und ich am frühen Morgen vor unserer Blockhütte auf sie warteten, fragte er mich immer wieder, ob er gut aussähe, bis ich schließlich die Arme um ihn legte und ihn drückte, bis er sich beruhigte. Als ich ihn losließ, schüttelte er die Hände vor dem Gesicht und grinste.
»Mann, Johnny. Mann, Mann, Mann. Ich platze gleich. Weißt du, wie ich mich fühle. Wie damals, als ich fast ertrunken wäre und wieder zu mir gekommen bin. Als wäre alles, was geschehen ist, auf einer Seite, und jetzt beginnt etwas völlig Neues.«
Einen Moment stand er strahlend vor mir, doch dann runzelte er die Stirn.
»Wie geht es weiter, Johnny? Ich weiß nicht, wie man verheiratet ist. Wenn ich es jetzt vermassle? Was, wenn ich es nicht kann?«
»Du vermasselst es nicht.«
Der Zelebrant stand mehrere Meter abseits und hielt den Hefter unter dem Arm, aus dem er die Ansprache ablesen würde. Stan sah zu ihm.
»Ich flippe aus!«
Der Mann kicherte.
Ein paar Minuten später stieg die Sonne über den Bergen empor, und Stan bekam große, runde Augen.
»Sieh nur, Johnny, da ist überall Sonne. Sieh doch!«
Das stimmte. Durch den Winkel spiegelte sich das Licht im Tau auf dem hohen Gras der Wiese, sodass das ganze Feld ein paar Minuten lang gleißend hell erstrahlte. Die Tür von Millicents Haus ging auf, die drei Frauen begannen eine kleine Hochzeitsprozession. Wir sahen sie auf uns zukommen, als wateten sie knietief durch einen See aus Licht. Stan gab kurze freudige Quietschlaute von sich und trat von einem Fuß auf den anderen.
Die Zeremonie dauerte nicht lang. Stan und Rosie standen Händchen haltend nebeneinander, während der Zelebrant einige Texte vorlas, die Marla und ich aus einer Gedichtsammlung abgeschrieben hatten. Stan sah immer wieder zu Rosie und lächelte, und obwohl Rosie den Kopf für gewöhnlich gesenkt hielt, hob sie ihn während der Zeremonie und ließ ihn nicht aus den Augen, als könnte sie das Ereignis nur durch diese Verbindung überleben.
Zwar schien die Sonne, der Atem des Zelebranten erzeugte dennoch Wölkchen. Nicht zuletzt durch das Licht und die frostige Luft bekam die Zeremonie etwas Feierliches und Erhabenes, wurde sie zu einem Ritual, das nicht nur Stan und Rosie miteinander verband, sondern sie zu einem Teil all jener Menschen auf der Welt machte, die vor ihnen diesem Ritual gefolgt waren, dieselben Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft geteilt hatten.
Nach den Gedichten las der Zelebrant etwas aus der Bibel, obwohl keiner der Anwesenden religiös war. Er endete mit einer Ansprache, die die Vermählung rechtsgültig machte, dann tauschten Stan und Rosie die Ringe und küssten sich verlegen. Und dann war es vorbei.
Millicent, Marla und ich tranken Champagner mit dem Zelebranten, während wir zusahen, wie Stan, der Musik angemacht hatte, mit Rosie vor der Blockhütte tanzte. Als ich sie so sah, verflogen meine letzten Bedenken, die ich hegte, seit Stan mir von seinen Hochzeitsplänen erzählt hatte, dass ihre Ehe bestenfalls der Abklatsch einer echten Ehe sein würde. Ihr gemeinsamer Tanz zeigte, dass sie keinen Vergleich scheuen mussten. Tanzend wurden sie anmutig und autark – ein Bollwerk, das den Stürmen des Lebens Trotz bieten würde, wie jede andere verschworene Gemeinschaft.
In den darauffolgenden Tagen gab Stan einen Teil seines Geldes dafür aus, dass er einen Wohnwagen mietete. Wir stellten ihn im rechten Winkel zu unserer Blockhütte auf und legten ein Stromkabel hinüber. Derselbe Bauunternehmer, der den Boden über dem verborgenen Flussbett geräumt hatte, kam einen Tag vorbei und schloss den Wohnwagen an die Wasserversorgung der Blockhütte an.
In diesem Fertigheim richteten sich Stan und Rosie ein. So verschlossen Rosie war, sie konnte ein Auto fahren, Lebensmittel einkaufen, Essen kochen, putzen – all das konnte Stan nicht, jedenfalls nicht allein. Durch die Ehe mit ihr nahm er gewissermaßen stellvertretend an allem teil, und seine Desillusionierung nach der Einsicht, dass Geld allein seinen Status nicht veränderte, wich einem neuen Gefühl, dennoch Teil der Gemeinschaft zu sein. Er mochte nicht allen Verpflichtungen gewachsen sein, die ihm das Leben Tag für Tag auferlegte, aber er konnte für
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