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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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„Was ist los?“
    „Gar nichts ist los.“ Ich hatte wieder, angefangen zu weinen. „Ich komme mit Ihnen.“
    „Warum?“
    „Ich habe meine Meinung geändert, das ist alles.“
    „Warum?“
    Ich hatte es ihm nicht erzählen wollen, aber nun sprudelte nach und nach alles aus mir heraus. „Dad hat eine Freundin, sie ist aus Los Angeles mitgekommen … und sie … sie hat gesagt …“
    Rasch sah er zu den beiden Frauen hinüber, die uns anstarrten. „Kommen Sie mit.“ Er führte mich in sein Zimmer, wo wir ungestört waren, schob mich hinein und schloß die Tür hinter uns.
    „Jetzt“, sagte er.
    Ich schneuzte mich und bemühte mich sehr, mich zusam-menzunehmen.
    „Es ist nur, daß er jemanden hat, der sich um ihn kümmern kann. Ich kann also mit Ihnen kommen.“
    „Haben Sie mit ihm über die Briefe gesprochen?“
    „Ja.“
    „Und er hat nichts dagegen, daß Sie mitkommen?“
    „Nein. Er sagt, es ist in Ordnung.“
    David schwieg. Ich sah ihn an und bemerkte, daß er mich gedankenverloren aus dem rechten Augenwinkel betrachtete. Später fand ich heraus, daß das eine Angewohnheit war, die er wegen seiner Kurzsichtigkeit im Lauf der Jahre angenommen hatte. Im Augenblick aber empfand ich es als beunruhigend und unangenehm, fast als würde man an die Wand genagelt.
    Mir war elend zumute. „Wollen Sie nicht, daß ich mitkomme?“
    „Das ist es nicht. Es ist nur – ich kenne Sie nicht gut genug, um sicher zu sein, daß Sie die Wahrheit sagen.“
    Ich war zu unglücklich, um beleidigt zu reagieren. „Ich lüge nie“, sagte ich. „Und wenn ich es tue, werde ich ganz unsicher und erröte. Vater hat wirklich gesagt, es sei in Ordnung.“ Wie zum Beweis steckte ich meine Hand in die Tasche meines Regenmantels und zog das schmutzige Bündel Dollarnoten heraus. Einige der Scheine fielen auf den Teppich wie alte Blätter. „Er hat mir sogar ein bißchen Geld mitgegeben.“
    David bückte sich, sammelte sie auf und gab sie mir zurück. „Ich glaube immer noch, Jane, ich sollte mich mit ihm treffen, bevor wir abfliegen. Wir könnten …“
    „Ich kann ihm nicht noch einmal auf Wiedersehen sagen.“
    Sein Gesicht verlor den strengen Ausdruck. Er berührte meinen Arm. „Dann bleiben Sie hier. Ich werde nicht länger als eine Viertelstunde fort sein.“
    „Versprechen Sie mir das?“
    „Ich verspreche es.“
    Er ging fort, und ich wanderte in dem Zimmer umher, das er bewohnt hatte, las ein bißchen Zeitung und sah aus der offenen Tür, ging dann ins Bad und wusch mir Gesicht und Hände, kämmte mein Haar, fand ein Gummiband und band es zurück. Schließlich ging ich hinaus und setzte mich an den Pool, um auf ihn zu warten. Als er zurückkehrte und unser Gepäck eingeladen hatte, setzte ich mich neben ihn ins Auto. Wir fuhren los, auf die Autobahn und nach Süden in Richtung Los Angeles. Die Nacht verbrachten wir in einem Motel in der Nähe des Flughafens, flogen am nächsten Tag nach New York und am darauffolgenden Abend nach London. Erst als wir bereits halb über dem Atlantik waren, fiel mir der Junge ein, der am nächsten Sonntag kommen wollte, um mich zum Surfen mitzunehmen.

4
     
     
     
     
     
    I ch hatte nahezu mein ganzes Leben in London verbracht, doch als ich zurückkehrte, war es, als käme ich in eine völlig unbekannte Stadt, so sehr hatte es sich verändert. Die Flughafengebäude, die Zubringerstraßen, die Skyline, die turmhohen Mietshäuser, das Verkehrsgewühl … all das hatte sich in den letzten sieben Jahren entwickelt. Ich saß im Taxi eingeklemmt in einer Ecke, meinen Koffer zu Füßen. Es war neblig, deshalb brannten die Straßenlaternen noch immer, ich hatte ganz vergesssen, wie feuchtkalt es sein konnte.
    Im Flugzeug hatte ich nicht geschlafen, jetzt war ich benommen vor Erschöpfung. Außerdem war mir übel von der Mahlzeit, die mir, nach meiner Uhr, die ich noch nicht umgestellt hatte, um zwei Uhr morgens kalifornischer Zeit serviert worden war. Mein Körper, mein Kopf, meine Augen taten weh vom Reisen, meine Zähne fühlten sich pelzig an und meine Kleider, als trüge ich sie schon ewig.
    Reklametafeln erschienen, Straßenüberführungen, Häuserreihen – London nahm uns auf. Das Taxi bog an irgendeiner Ampel ab, tastete sich voran, einen ruhigen, halbmondförmigen Straßenzug entlang, der von parkenden Autos gesäumt war, und blieb vor einer Reihe großer viktorianischer Häuser stehen.
    Ich betrachtete sie teilnahmslos und fragte mich, was ich wohl jetzt tun sollte. David

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