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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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auch zufrieden damit waren, ihre Familien zum Picknick herzubringen oder im Bach zu fischen.
    Als wir auf das Cottage zukamen, ertönte vielstimmiges wildes Gebell aus dem Zwinger, und aufgestört von dem Krach, erschien die Gestalt von Mrs. Gibson durch die offene Tür. Sinclair winkte und rief : „Hallo, da oben!“ Mrs. Gibson winkte zurück und verschwand hastig wieder im Haus.
    „Ob sie den Kessel aufsetzen will?“ fragte ich.
    „Oder Gibson vorwarnen, damit er seine Zähne einsetzt.“
    „Das ist gar nicht nett.“
    „Nein, aber wahrscheinlich.“
    Neben dem Haus war ein alter Landrover geparkt, um dessen Reifen ein halbes Dutzend weißer Leghorn-Hennen herumpickte. An der Leine hing von der Brise steif geblähte Wäsche. Als wir die Tür erreichten, kam Mrs. Gibson wieder heraus. Sie hatte ihre Schürze abgenommen, trug eine Bluse mit einer Kameenbrosche am Kragen und strahlte von einem Ohr zum, anderen.
    „Oh, Miss Jane, ich hätte sie sofort wiedererkannt. Will sagte, Sie haben sich überhaupt nicht verändert. Und Mr. Sinclair … Ich wußte gar nicht, daß Sie hochgekommen sind.“
    „Hab mir ein paar Tage freigenommen.“
    „Kommen Sie herein, Gibson trinkt gerade seinen Tee.“
    „Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen …“ Sinclair trat beiseite und wartete darauf, daß ich voranging. Ich zog meinen Kopf vorsichtig an der Tür ein und ging in die Küche, wo ein Feuer im Kamin brannte. Gibson stemmte sich hinter einem Tisch auf die Füße, der beladen war mit Scones, Kuchen, Butter und Marmelade, Tee und Milch und einer Wabe Honig. Außerdem roch es stark nach Schellfisch.
    „Oh, Gibson, wir stören wirklich …“
    „Überhaupt nicht, überhaupt nicht …“ Er streckte die Hand aus, die sich trocken und knorrig anfühlte wie alte Baumrinde. Ohne seinen unvermeidlichen Tweedhut sah er seltsam und fremd aus, so verletzlich wie ein Polizist ohne Helm, sein kahler Kopf war nur von ein paar Strähnen weißen Haars geschützt. Ich stellte fest, daß er von all meinen Freunden in Elvie als einziger wirklich alt geworden war. Seine Augen waren blaß und weiß umrändert. Er war dünner, gebeugter, und seine Stimme hatte ihre männliche Tiefe verloren.
    „Aye, wir haben gehört, Sie seien auf dem Weg nach Hause.“ Er drehte sich um, als Sinclair uns in den heißen, überfüllten kleinen Raum folgte. „Und Sie auch, Sinclair.“
    „Hallo, Gibson.“
    Mrs. Gibson trat geschäftig hinter ihm herein und übernahm das Kommando über uns alle. „Er trinkt gerade seinen Tee, Sinclair, aber Sie können sich für eine kleine Weile dazusetzen, Gibson wird nichts dagegen haben. Also, Sie setzen sich hierher, Jane, ans Feuer, wo es schön warm ist …“ Ich setzte mich so dicht an den glühenden Kamin, daß ich fast geröstet wurde. „Möchten Sie eine Tasse Tee?“
    „Ja, sehr gerne.“
    „Und einen winzigen Happen zu essen.“ Sie eilte geschäftig in die Spülküche, legte ihrem Mann im Vorbeigehen die Hand auf die Schulter und drückte ihn wieder zurück auf seinen Stuhl. „Setz dich, Lieber, und iß deinen Fisch auf, Jane hat wohl nichts dagegen …“
    „Ja, bitte, essen Sie weiter.“
    Aber Gibson sagte, er habe genug gegessen, und Mrs. Gibson nahm rasch den Teller an sich, als wäre er anstößig, und ging, um ihren Kessel aufzusetzen. Sinclair zog an der anderen Seite des Tisches einen Stuhl hervor und setzte sich Gibson gegenüber. Er holte seine Zigaretten heraus, bot dem alten Wildhüter eine an, nahm sich selbst eine und beugte sich dann vor, um sie anzuzünden.
    „Wie ist es Ihnen ergangen?“ fragte er.
    „Oh, nicht schlecht … es war ein großartiger, trockener Sommer. Ich habe gehört, Sie waren hinter den Tauben her, heute – wie ist es gelaufen?“
    Bald waren sie in eine Unterhaltung vertieft. Wenn man ihrem Gespräch zuhörte und sie so sah, der junge kräftige Mann und der alte zittrige, war es schwer, sich vorzustellen, daß Gibson einmal der einzige Mensch gewesen war, vor dem Sinclair als Junge wirklich Respekt gehabt hatte.
    Mrs. Gibson kam zurückgeeilt mit zwei sauberen Tassen – ihren besten, wie ich feststellte –, schenkte Tee ein und bot uns Scones an, zuckerglasierte Törtchen und Shortbread, das urschottische Gebäck. Wir lehnten alles höflich ab. Dann setzte sie sich auf die andere Seite des Kamins, und wir schwatzten gemütlich. Wieder wurde ich gefragt, was es Neues von meinem Vater gebe, ich berichtete und fragte dann nach ihren beiden Söhnen. Ich

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