Ende eines Sommers
er wieder los. Es herrschte jetzt wenig Verkehr. Die Straße war glatt, leicht gewölbt und zog sich in Kurven vor uns her. Das Auto raste davon wie ein Pferd, dem die Zügel gelockert werden.
Wir kamen zu der Abzweigung, wo wir auf eine kleine Seitenstraße abbogen, die nach Süden führte. Sie kletterte in steilen Kurven auf den Gipfel des Bengairn. Felder und Äcker fielen unter uns ab, kurz darauf waren wir auf dem Moor. Das vom Wind zerzauste Gras war mit Heidekraut gesprenkelt, ein paar eher uninteressiert dreinblickende schwarzgesichtige Schafe standen in der Landschaft. Die kalte Luft, die durch das offene Fenster wehte, roch nach Torf, vor uns war es dunstig, aber bevor wir in den Nebel gerieten, lenkte Sinclair den Lotus in eine Parkbucht und stellte den Motor ab.
Vor uns dehnte sich das Tal, still breitete es sich unter einem Himmel von blassem Türkis aus, eher grün als blau, in das sich im Westen das Rosa des Sonnenuntergangs mischte. Weit unten lag Elvie Loch, ruhig und hell wie ein Juwel, und der Caple sah aus wie ein gewundenes Silberband. Es war sehr still, nur der Wind zerrte an dem Wagen, und ab und zu ertönte der Ruf der Brachvögel.
Neben mir löste Sinclair seinen Gurt. Als ich mich nicht rührte, um seinem Beispiel zu folgen, lehnte er sich zu mir herüber, um auch meinen zu öffnen. Ich drehte mich zu ihm um, und ohne etwas zu sagen nahm er mein Gesicht zwischen seine behandschuhten Hände und küßte mich. Nach einer Weile schob ich ihn sanft zurück und sagte: „Du wolltest mit mir sprechen, weißt du noch?“
Er lächelte, nicht im geringsten aus der Fassung gebracht, und stemmte sich hoch, um an seine Manteltasche zu kommen. „Ich habe etwas für dich …“ Er nahm eine kleine Schachtel heraus, öffnete sie, und der ganze Himmel schien sich in dem Sternengeglitzer von Diamanten zu spiegeln.
Ich hatte das Gefühl, als würde ich kopfüber und Purzelbäume schlagend einen langen, steilen Abhang hinunterrollen. Schwindelig und benommen fand ich erst nach einer Weile die Sprache wieder, aber ich konnte nur sagen: „Aber Sinclair, das ist doch nicht für mich.“
„Natürlich ist er für dich. Hier …“ Er nahm den Ring, warf die kleine Schachtel leichthin auf die Ablage über der Armatur, und bevor ich ihn daran hindern konnte, hatte er meine linke Hand genommen und den Ring fest auf meinen Finger gesteckt. Ich versuchte die Hand zurückzuziehen, aber er hielt sie fest und schloß seine Finger über dem Ring, so daß die Diamanten in meine Haut schnitten und weh taten.
„Aber er kann nicht für mich sein …“
„Er ist für dich. Nur für dich.“
„Sinclair, wir müssen miteinander reden.“
„Deshalb habe ich dich hierhergebracht.“
„Nein, nicht darüber. Über Tessa Faraday.“
Wenn ich angenommen hatte, daß ihm das einen Schock versetzen würde, hatte ich mich getäuscht. „Was weißt du über Tessa Faraday?“ Er klang nachsichtig, nicht im mindesten erregt.
„Ich weiß, daß sie ein Kind bekommt. Von dir.“
„Und wie hast du das herausgefunden?“
„Weil ich an dem Abend, als sie anrief, das Telefon klingeln hörte und oben an den Anschluß ging, um zu antworten. Aber du hattest bereits abgenommen, und ich hörte … wie sie dir sagte …“
„Du warst das also?“ Er klang recht erleichtert, als hätte sich irgendein kleines Dilemma in Luft aufgelöst. „Ich meinte gehört zu haben, wie an dem anderen Apparat eingehängt wurde. Wie außerordentlich taktvoll von dir, nicht bis zum Ende unseres Gesprächs zuzuhören.“
„Aber was wirst du tun?“
„Tun? Nichts.“
„Aber das Mädchen bekommt ein Kind von dir.“
„Liebste Janey, wir wissen nicht, ob es von mir ist.“
„Aber es könnte von dir sein.“
„O ja, das könnte es. Aber das bedeutet nicht, daß es so ist. Und ich übernehme nicht die Verantwortung für die Unachtsamkeit eines anderen Mannes.“
Ich dachte an Tessa Faraday und das Bild, das ich mir von ihr zurechtgezimmert hatte. Das fröhliche, hübsche Mädchen, lachend in Sinclairs Armen. Die erfolgreiche, engagierte Skiläuferin, der die Welt, die sie sich ausgesucht hatte, zu Füßen lag. Die junge Frau, der Anerkennung und Bewunderung gezollt wurde, die mit meiner Großmutter im Connaught zu Mittag aß. „So ein reizendes Mädchen“, hatte meine Großmutter gesagt, und sie täuschte sich selten in Menschen. Nichts davon stimmte überein mit dem Eindruck, den Sinclair mir zu vermitteln versuchte.
Um Fassung bemüht
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