Ender 4: Enders Kinder
mit der realen Welt treten zu lassen. Daß ein Körper darauf wartet, sie aufzunehmen. Daß der Sternenflug wiederhergestellt wird. Daß seine alte und treue Freundin plötzlich ein reales Mädchen ist. Darauf warte ich.«
Miro schüttelte den Kopf. »Ich will dich nicht verlieren«, sagte er.
»Das ist nicht sehr hilfreich«, sagte Val.
»Aber es ist die Wahrheit«, sagte Miro. »In der Theorie war alles ganz einfach. Als ich mir auf Lusitania tiefsinnige Gedanken machte, während wir mit dem Schwebewagen zurückfuhren, klar, da konnte ich zu dem logischen Schluß kommen, daß Jane in Val Jane und Val sein würde. Aber jetzt, wo es wirklich darauf ankommt, kann ich nicht sagen, daß –«
»Halt die Klappe«, sagte Val.
Es sah ihr gar nicht ähnlich, so zu sprechen. Also hielt Miro die Klappe.
»Schluß mit dem Gerede«, sagte sie. »Was ich von dir brauche, sind Gründe, die mich dazu bringen, diesen Körper aufzugeben.«
Miro schüttelte den Kopf.
»Also los, mach endlich Nägel mit Köpfen«, sagte sie. »Komm zu Potte. Tu Butter bei die Fische. Hoch mit dem Arsch. Karte oder ’n Stück Holz.«
Er wußte, was sie wollte. Er wußte, daß sie ihm damit zu verstehen gab, daß das einzige, was sie in diesem Körper, diesem Leben, festhielt, er war. Ihre Liebe zu ihm. Ihrer beider Freundschaft und Kameradschaft. Es gab jetzt andere hier, um die Übersetzungsarbeit zu machen – Miro vermochte nun zu erkennen, daß das in Wirklichkeit schon immer der Plan gewesen war: Ela und Quara herzubringen, damit Val ihr Leben auf keinen Fall für unentbehrlich halten konnte. Miro aber, den würde sie nicht so leicht loslassen. Und das mußte sie, sie mußte loslassen.
»Was für ein Aiúa auch immer in jenem Körper ist«, sagte Miro, »du wirst dich an alles erinnern, was ich sage.«
»Und es muß dir auch Ernst damit sein«, sagte Val. »Es muß die Wahrheit sein.«
»Tja, das kann es nicht«, sagte Miro. »Die Wahrheit ist nämlich, daß ich –«
»Halt die Klappe!« verlangte Val. »Sag das nicht noch einmal. Es ist eine Lüge!«
»Es ist keine Lüge.«
»Es ist eine vollständige Selbsttäuschung deinerseits, und du mußt aufwachen und der Wahrheit ins Gesicht sehen, Miro! Du hast die Wahl zwischen mir und Jane schon getroffen. Du machst jetzt nur einen Rückzieher, weil es dir nicht behagt, die Art von Mann zu sein, der eine derart skrupellose Wahl trifft. Aber du hast mich nie geliebt, Miro. Du hast nie mich geliebt. Du hast die Gesellschaft geliebt, ja – natürlich, die einzige Frau in deiner Nähe; da spielt ein biologischer Imperativ bei einem schrecklich einsamen jungen Mann eine Rolle. Aber mich ? Ich denke, das, was du geliebt hast, war deine Erinnerung an deine Freundschaft mit der echten Valentine, als sie mit dir aus dem All zurückkehrte. Und du hast es geliebt, dich edel fühlen zu können, als du mir bei dem Versuch, mir das Leben zu retten, deine Liebe erklärtest, damals, als Ender mich ignorierte. Aber das alles hatte nur etwas mit dir zu tun, nicht mit mir. Du hast mich nie gekannt, du hast mich nie geliebt. Es war Jane, die du liebtest, und Valentine, und Ender selbst, der wirkliche Ender, nicht dieser Plastikbehälter, den er erschaffen hat, um all seine Tugenden, von denen er gerne mehr besäße, in ein gesondertes Fach zu packen.« Die Gehässigkeit, der Zorn in ihr war deutlich fühlbar. Das sah ihr gar nicht ähnlich. Miro konnte sehen, daß auch die anderen wie erstarrt waren. Und doch verstand er es zugleich auch. Das sah ihr ähnlich – denn sie war haßerfüllt und wütend, um sich selbst davon zu überzeugen, dieses Leben loszulassen. Und das wiederum tat sie um der anderen willen. Es war der perfekte Altruismus. Nur sie würde sterben, und dafür würden die anderen in diesem Schiff vielleicht nicht sterben, sie würden heimkehren, wenn ihre Arbeit hier getan war. Jane würde leben, in dieses neue Fleisch gehüllt, und ihre Erinnerungen erben. Val mußte sich selbst davon überzeugen, daß das Leben, das sie jetzt führte, für sie und alle anderen wertlos war; daß der einzige Wert, der ihrem Leben innewohnte, der sein würde, es aufzugeben. Und sie wollte, daß Miro ihr half. Das war das Opfer, das sie von ihm verlangte. Ihr zu helfen loszulassen. Ihr zu helfen, gehen zu wollen . Ihr zu helfen, dieses Leben zu hassen.
»Na schön«, sagte Miro. »Du willst die Wahrheit hören? Du bist absolut leer, Val, und das warst du immer. Du sitzt einfach da und deklamierst genau das,
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