Ender 4: Enders Kinder
Augenblick um ihn trauere und im nächsten so glücklich bin, daß du mich im Arm hältst?«
»Verrate ich jetzt Ender, wenn ich nur Stunden, nachdem er gestorben ist, so glücklich bin?«
»Nur, daß er nicht tot ist«, sagte Jane. »Ich weiß, wo er ist. Ich habe ihn dorthin verfolgt.«
»Wenn er genau derselbe ist, der er einmal war«, sagte Miro, »dann wäre das schade. Denn so gut er auch war, glücklich war er nicht. Er hatte seine großen Augenblicke, aber er war niemals – ach je, er hat nie wirklichen Frieden gefunden. Wäre es nicht schön, wenn Peter sein gesamtes Leben zubringen könnte, ohne jemals die Schuld an einem Xenozids tragen zu müssen? Ohne jemals die Last der ganzen Menschheit auf seinen Schultern spüren zu müssen?«
»Da wir gerade davon sprechen«, sagte Jane, »auf uns wartet Arbeit.«
»Auf uns wartet auch ein Leben«, sagte Miro. »Ich werde es nicht bedauern, daß wir diese Begegnung hatten. Auch wenn Quaras Gehässigkeit nötig war, damit es dazu kam.«
»Laß uns das tun, was unter zivilisierten Menschen üblich ist«, sagte Jane. »Laß uns heiraten. Laß uns Babys haben. Ich will wirklich ein Mensch sein, Miro, ich will alles machen. Ich will am gesamten Spektrum menschlichen Lebens teilhaben. Und ich will es gemeinsam mit dir tun.«
»Ist das ein Antrag?« fragte Miro.
»Ich bin gestorben und wurde erst vor einem Dutzend Stunden wiedergeboren«, sagte Jane. »Mein – zum Teufel, ich kann ihn doch meinen Vater nennen, oder nicht? – mein Vater ist ebenfalls gestorben. Das Leben ist kurz, ich fühle, wie kurz es ist: auch nach dreitausend Jahren, die durchweg intensiv waren, fühlt es sich immer noch zu kurz an. Ich habe es eilig. Und du, hast du nicht auch genug Zeit verschwendet? Bist du nicht bereit?«
»Aber ich habe keinen Ring.«
»Wir haben etwas viel Besseres als einen Ring«, sagte Jane. Von neuem berührte sie ihre Wange, dort, wo sie seine Träne hingestrichen hatte. Es war immer noch feucht; immer noch feucht auch, als sie jetzt seine Wange mit dem Finger berührte. »Ich habe deine Tränen mit meinen vermischt und du meine mit deinen. Ich denke, das ist intimer als selbst ein Kuß.«
»Vielleicht«, sagte Miro. »Aber es macht nicht so viel Spaß.«
»Dieses Gefühl, das ich jetzt empfinde, das ist Liebe, richtig?«
»Ich weiß es nicht. Ist es ein Sehnen? Ist es ein schwindelerregendes, stupides Glücklichsein, bloß weil du mit mir zusammen bist?«
»Ja«, sagte sie.
»Dann ist es ein grippaler Infekt«, sagte Miro. »In ein paar Stunden darfst du wohl mit Übelkeit und Durchfall rechnen.«
Sie schubste ihn, und in dem schwerelosen Sternenschiff führte die Bewegung dazu, daß er hilflos frei in der Luft schwebte, bis er gegen eine andere Oberfläche prallte.
»He«, sagte er und tat ganz unschuldig. »Was habe ich denn gesagt?«
Sie stieß sich von der Wand ab und bewegte sich zur Tür. »Los, komm«, sagte sie. »Zurück an die Arbeit.«
»Laß uns unsere Verlobung vorerst nicht bekanntgeben«, sagte er leise.
»Warum nicht?« fragte sie. »Schämst du dich schon?«
»Nein«, sagte er. »Vielleicht ist es ja engstirnig von mir, aber wenn wir sie bekanntgeben, möchte ich nicht, daß Quara dabei ist.«
»Das ist sehr kleinkariert von dir«, sagte Jane. »Du mußt unbedingt edelmütiger und geduldiger sein, so wie ich.«
»Ich weiß«, sagte Miro. »Ich versuche, es zu lernen.«
Sie trieben zurück in die Hauptkammer der Fähre. Die anderen arbeiteten daran, ihre genetische Botschaft für die Ausstrahlung auf der Frequenz vorzubereiten, die die Descoladores benutzt hatten, um sie anzurufen, als sie sich anfangs in Planetennähe gezeigt hatten. Sie alle blickten auf. Ela lächelte schwach. Feuerlöscher winkte vergnügt.
Quara warf den Kopf zurück. »Tja, ich hoffe, diesen kleinen Gefühlsausbruch haben wir hinter uns«, sagte sie.
Miro konnte spüren, wie Jane bei dieser Bemerkung schäumte. Aber Jane sagte nichts. Und als sie beide Platz nahmen und sich wieder an ihren Sesseln festschnallten, schauten sie einander an, und Jane zwinkerte ihm zu.
»Das habe ich gesehen«, sagte Quara.
»Solltest du auch«, sagte Miro.
»Werdet endlich erwachsen«, sagte Quara verächtlich.
Eine Stunde später strahlten sie ihre Botschaft ab. Und sofort wurden sie mit Antworten überschwemmt, die sie nicht verstehen konnten, aber verstehen mußten. Jetzt war keine Zeit mehr für Streitereien, oder für Liebe, oder für Trauer. Es gab nur noch Sprache,
Weitere Kostenlose Bücher