Ender 4: Enders Kinder
festlegen, als bis sie zurück sind«, sagte Grego.
Bei der Erwähnung von Enders Namen sackte Wasserspringer in sich zusammen. »Der Mann, der Mensch ins Dritte Leben geleitet hat«, sagte er. »Und es ist fast nichts von ihm übrig, was man begraben könnte.«
»Ich frage mich bloß«, sagte Grego, »ob es Tage oder Wochen oder Monate dauern wird, bevor Jane sich ihre alte Macht wieder angeeignet hat – falls sie es überhaupt schafft.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Wasserspringer.
»Sie haben nur für ein paar Wochen Luft«, sagte Grego.
»Er weiß es nicht, Grego«, sagte Olhado.
»Das weiß ich«, sagte Grego. »Aber die Schwarmkönigin weiß es. Und sie wird es den Vaterbäumen mitteilen. Ich dachte … die Information wäre vielleicht nach unten durchgesickert.«
»Wie könnte wohl selbst die Schwarmkönigin wissen, was in der Zukunft geschieht?« fragte Olhado. »Wie kann irgend jemand wissen, was Jane vermag und was nicht? Wir sind wieder mit Welten außerhalb von dieser hier verbunden. Einige Teile ihres Kernspeichers sind, wie heimlich auch immer, wieder in das Verkürzernetz zurückkopiert worden. Sie könnte sie finden. Oder auch nicht. Wenn sie sie findet, werden sie vielleicht ausreichen oder auch nicht. Aber Wasserspringer weiß das nicht.«
Grego wandte sich ab.
»Ich weiß«, sagte er.
»Wir haben alle Angst«, sagte Olhado. »Sogar die Schwarmkönigin. Keiner von uns will sterben.«
»Jane ist gestorben, aber nicht tot geblieben«, sagte Grego. »Laut Miro ist Enders Aiúa angeblich fortgegangen und lebt jetzt als Peter auf irgendeiner anderen Welt. Schwarmköniginnen sterben, und ihre Erinnerungen leben im Bewußtsein ihrer Töchter fort. Pequeninos existieren in einem späteren Leben als Bäume weiter.«
»Einige von uns«, sagte Wasserspringer.
»Aber was ist mit uns ?« sagte Grego. »Werden wir ausgelöscht? Was für einen Unterschied macht es dann für diejenigen unter uns, die Pläne hatten, was macht es aus, welche Werke wir geleistet haben? Die Kinder, die wir großgezogen haben?« Er sah Olhado anzüglich an. »Was spielt es dann für eine Rolle, daß du eine so große, glückliche Familie hast, wenn ihr alle innerhalb eines Augenblicks von dieser … Bombe ausradiert werdet?«
»Nicht ein Augenblick meines Lebens mit meiner Familie war vergeudet«, sagte Olhado ruhig.
»Aber der entscheidende Punkt dabei ist doch, etwas fortzusetzen, oder nicht? Eine Verbindung zur Zukunft herzustellen?«
»Das ist ein Teilaspekt davon, ja«, sagte Olhado. »Aber ein anderer Teil des Sinns, der dem Leben innewohnt, ist das Hier und Jetzt, der Augenblick. Und noch ein weiterer Teil ist das Geflecht der Beziehungen. Der Verbindungen von Seele zu Seele. Wenn der Zweck des Lebens einfach nur darin bestünde, etwas in die Zukunft hinein fortzusetzen, dann hätte nichts davon einen Sinn, denn alles wäre nur Erwartung und Vorbereitung. Es gibt auch so etwas wie Erfüllung und Verwirklichung, Grego. Es gibt das Glück, das wir bereits erlebt haben. Das Glück eines jeden Augenblicks. Das Ende unseres Lebens … selbst wenn es keine vorwärtsgerichtete Weiterführung gibt, absolut keine Nachkommenschaft, löscht das Ende unseres Lebens den Anfang nicht aus.«
»Aber es wird nichts bedeutet haben«, sagte Grego. »Wenn deine Kinder sterben, dann war es alles nur Verschwendung.«
»Nein«, sagte Olhado ruhig. »Du sagst das, weil du keine Kinder hast, Greguinho. Aber nichts davon ist verschwendet. Das Kind, das du nur für einen Tag, bevor es stirbt, in deinen Annen hältst, das ist nicht verschwendet, weil dieser eine Tag genug Sinn in sich selber birgt. Die Entropie ist für eine Stunde, einen Tag, eine Woche, einen Monat zurückgeworfen worden. Bloß weil wir alle vielleicht liier auf dieser kleinen Welt sterben werden, entwertet das nicht das Leben vor dem Tode.«
Grego schüttelte den Kopf. »Doch, das tut es, Olhado. Der Tod entwertet alles.«
Olhado zuckte die Achseln. »Warum machst du dir dann überhaupt die Mühe, etwas zu tun, Grego? Denn eines Tages wirst du ja ohnehin sterben. Warum sollte man überhaupt Kinder in die Welt setzen? Eines Tages werden auch sie sterben, ihre Kinder werden sterben, alle Kinder werden sterben. Eines Tages werden die Sterne erlöschen oder explodieren. Eines Tages wird der Tod uns alle wie das Wasser eines Sees bedecken, und vielleicht wird nichts jemals wieder an die Oberfläche kommen, um davon zu zeugen, daß wir jemals da waren. Aber wir waren da,
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