Ender 4: Enders Kinder
müssen.
Malu rief, und die anderen wandten sich um und blickten ihn an. Sie alle hatten das Jane-Gesicht in der Luft über den Terminals gesehen, hundert Jane-Gesichter überall im Raum. Sie alle hatten gerade gejubelt und gefeiert. Deshalb fragte Wang-mu sich: Was mag das jetzt wieder sein?
»Die Göttin hat ihr Sternenschiff bewegt!« schrie Malu. »Die Göttin hat ihre Macht wiedergefunden!«
Wang-mu hörte die Worte und fragte sich stumm, woher er das wußte. Peter jedoch nahm die Nachricht persönlicher auf. Er schlang die Arme um sie, hob sie vom Boden hoch und wirbelte mit ihr im Kreis herum. »Wir sind wieder frei«, rief er, und seine Stimme klang so freudig erregt, wie die Malus es gewesen war.
»Endlich haben wir wieder die Möglichkeit umherzustreifen!«
In diesem Augenblick begriff Wang-mu endlich, daß der Mann, den sie liebte, in seinem tiefsten Innern derselbe Mann – nämlich Ender Wiggin – war, der dreitausend Jahre lang von Welt zu Welt gezogen war. Warum war Peter so still und bedrückt gewesen und hatte sich erst jetzt zu solcher Ausgelassenheit entspannt? Weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, sein ganzes restliches Leben auf nur einer einzigen Welt verbringen zu müssen!
In was habe ich mich da hineinmanövriert? fragte Wang-mu sich. Wird das mein Leben sein: eine Woche hier, einen Monat da?
Und dann dachte sie: Und wenn es so wäre? Wenn ich diese Woche mit Peter verbringe, wenn ich diesen Monat über an seiner Seite bin, dann mag das ja Heimat genug für mich sein. Und wenn nicht, wird immer noch genügend Zeit sein, irgendeine Art von Kompromiß zu finden. Selbst Ender ist zuletzt seßhaft geworden, auf Lusitania.
Außerdem bin ich ja vielleicht selbst eine Nomadin. Ich bin noch jung – woher weiß ich denn, was für eine Art von Leben ich führen will? Nun, da Jane uns in nur einem Herzschlag überall hinbringen kann, können wir alle Hundert Welten und all die neuen Kolonien sehen, und alles andere, was wir sehen wollen, bevor wir auch nur daran denken müssen, uns irgendwo niederzulassen.
Irgend jemand rief draußen im Kontrollraum. Miro wußte, daß er eigentlich von Janes schlafendem Körper aufstehen und den Grund dafür herausfinden sollte. Aber er wollte ihre Hand nicht loslassen. Er wollte den Blick nicht von ihr abwenden.
»Wir sind abgeschnitten!« ertönte der Ruf wieder – es war Quara, die schrie, erschrocken und wütend. »Eben noch habe ich ihre Sendungen hereinbekommen, und jetzt plötzlich nichts mehr.«
Miro hätte fast laut aufgelacht. Wie war es nur möglich, daß Quara nicht begriff? Der Grund, warum sie die Descolador-Sendungen nicht länger empfangen konnte, war, daß sie nicht länger den Planeten der Descoladores umkreisten. Konnte Quara nicht das Einsetzen der Schwerkraft spüren? Jane hatte es geschafft. Jane hatte sie nach Hause gebracht.
Aber hatte sie auch sich selbst mitgebracht? Miro drückte ihre Hand, beugte sich über sie, küßte ihre Wange. »Jane«, flüsterte er. »Bitte, sei nicht da draußen verlorengegangen. Sei hier. Sei hier bei mir.«
»Okay«, sagte sie.
Er hob sein Gesicht von ihrem, schaute ihr in die Augen. »Du hast es geschafft«, sagte er.
»Und ziemlich mühelos, nach all der Aufregung«, sagte sie. »Aber ich glaube nicht, daß mein Körper dafür konstruiert ist, so tief zu schlafen. Ich kann mich nicht bewegen.«
Miro betätigte den Schnellauslöser an ihrem Bett, und alle Gurte öffneten sich.
»Ach«, sagte sie. »Ihr habt mich festgebunden.«
Sie versuchte sich aufzusetzen, legte sich aber sofort wieder hin.
»Fühlst du dich schwach?« fragte Miro.
»Das Zimmer dreht sich«, sagte sie. »Vielleicht kann ich zukünftige Sternenflüge durchführen, ohne meinen eigenen Körper so gründlich ausknocken zu müssen.«
Die Tür sprang auf. Im Türrahmen stand Quara, bebend vor Wut. »Wie kannst du es wagen, uns nicht einmal zu warnen, bevor du so etwas tust!«
Ela war direkt hinter ihr. »Um Himmels willen, Quara«, protestierte sie, »sie hat uns nach Hause gebracht, ist das nicht genug?«
»Du könntest etwas mehr Anstand zeigen!« schrie Quara. »Du hättest uns sagen können, daß du dein Experiment jetzt durchführst!«
»Sie hat dich doch auch mitgenommen, oder?« sagte Miro lachend.
Sein Lachen machte Quara nur noch wütender. »Sie ist nicht menschlich! Das ist es, was du an ihr magst, Miro! Du hättest dich niemals in eine richtige Frau verlieben können. Wie sieht denn deine Liste von
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