Ender 4: Enders Kinder
hatte nie gewagt, jenen Augenblick, in dem sie beide erschaffen worden waren, mit ihm zu diskutieren. »Du hast deinen alten Körper gehaßt, solange du in ihm stecktest, aber in dem Augenblick, als du wieder in deinem richtigen Körper warst, hast du einfach aufgehört, dem alten irgendwelche Beachtung zu schenken. Er war nicht länger ein Teil von dir. Dein Aiúa hatte keine Verantwortung mehr für ihn. Und da es nichts mehr gab, das ihn zusammenhielt – husch, husch, die Waldfee, weg war er.«
»Holzpuppe«, sagte Miro. »Nicht Waldfee. Was bin ich sonst noch?«
Die alte Valentine ignorierte seinen Versuch eines Scherzes. »Also sagst du, Ender finde dich uninteressant.«
»Er bewundert mich«, sagte die junge Val. »Aber er findet mich langweilig.«
»Na ja, mich auch«, sagte die alte Valentine.
»Das ist absurd«, sagte Miro.
»Ist es das?« fragte die alte Valentine. »Er ist nie mir irgendwohin gefolgt; immer war ich diejenige, die ihm folgte. Ich glaube, er hat nach einer Berufung, einem Lebenszweck, gesucht. Nach irgendeiner großen Tat, die er vollbringen konnte, um den schrecklichen Akt aufzuwiegen, mit dem seine Kindheit endete. Er dachte, es würde ausreichen, die Schwarmkönigin zu schreiben. Und dann, mit meiner Hilfe bei den Vorbereitungen, schrieb er den Hegemon und dachte, das würde vielleicht genügen, aber das tat es nicht. Er fuhr fort, nach etwas zu suchen, das seine volle Aufmerksamkeit fesseln würde, und immer wieder fand er es beinahe, oder fand es für eine Woche oder einen Monat, aber eines war sicher: das, was seine Aufmerksamkeit fesselte, war niemals ich, weil ich während all der Milliarden Kilometer, die er reiste, immer dabei war, die ganzen dreitausend Jahre über. Jene historischen Abhandlungen, die ich schrieb – das tat ich nicht aus übergroßer Liebe zur Geschichte, sondern weil es ihm bei seiner Arbeit half. Genauso, wie mein Schreiben Peter bei seiner Arbeit half. Und als ich dann fertig war, konnte ich mir für ein paar Stunden des Lesens und des Diskutierens seiner Aufmerksamkeit sicher sein. Nur wurde es von Mal zu Mal unbefriedigender, weil nicht ich es war, dem seine Aufmerksamkeit galt, es war die Geschichte, die ich geschrieben hatte. Bis ich schließlich einen Mann fand, der mir sein ganzes Herz schenkte, und ich bei ihm blieb. Während mein jugendlicher Bruder ohne mich weitermachte und eine Familie fand, die sein ganzes Herz mit Beschlag belegte, und da waren wir, Planeten voneinander entfernt, aber endlich glücklicher ohne den anderen, als wir es zusammen jemals gewesen waren.«
»Warum bist du dann wieder zu ihm zurückgekehrt?« fragte Miro.
»Ich bin nicht seinetwegen gekommen. Ich kam euretwegen.« Die alte Valentine lächelte. »Ich kam einer Welt wegen, die in Gefahr war, vernichtet zu werden. Aber ich habe mich gefreut, Ender zu sehen, obgleich ich wußte, daß er mir niemals gehören würde.«
»Das mag eine korrekte Beschreibung dessen sein, wie es dir vorgekommen ist«, sagte die junge Val. »Aber auf irgendeiner Ebene mußt du seine Aufmerksamkeit besessen haben. Ich existiere, weil du immer in seinem Herzen gewesen bist.«
»Ein Phantasiegebilde aus seiner Kindheit vielleicht. Nicht ich.«
»Schau mich an«, sagte die junge Val. »Ist das der Körper, den du hattest, als er fünf war und von zu Hause weggeholt und hinauf zur Kampfschule gebracht wurde? Ist das auch nur das Mädchen im Teenager-Alter, das er in jenem Sommer an dem See in North Carolina gekannt hat? Du mußt seine Aufmerksamkeit auch noch besessen haben, als du erwachsen wurdest, weil sein Bild von dir sich so verändert hat, daß es zu mir wurde.«
»Du bist das, was ich war, als wir gemeinsam am Hegemon arbeiteten«, sagte die alte Valentine traurig.
»Warst du so müde?« fragte die junge Val.
»Ich jedenfalls bin es«, sagte Miro.
»Nein, bist du nicht«, sagte die alte Valentine. »Du siehst aus wie die Lebenskraft selbst. Du feierst immer noch deinen wunderschönen neuen Körper. Mein Zwilling hier ist herzensmüde.«
»Enders Aufmerksamkeit war immer geteilt«, sagte die junge Val. »Verstehst du, ich bin mit seinen Erinnerungen angefüllt – oder vielmehr mit den Erinnerungen, von denen er unbewußt glaubte, daß ich sie haben sollte, aber natürlich bestehen sie fast ausschließlich aus Dingen, an die er sich hinsichtlich meiner Freundin hier erinnert, was bedeutet, daß alles, woran ich mich erinnere, mein Leben mit Ender ist. Und er hatte immer Jane im Ohr
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