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Ender 4: Enders Kinder

Ender 4: Enders Kinder

Titel: Ender 4: Enders Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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und die Leute, deren Tod er gerade gesprochen hat, und seine Schüler und die Schwarmkönigin in ihrem Kokon und so weiter. Aber das alles waren Bezugspersonen aus seiner Zeit als Erwachsener. Wie jeder umherziehende Held in den alten Epen wanderte auch er von Ort zu Ort und veränderte andere, blieb dabei aber selbst unverändert. Bis er hierherkam und sich schließlich restlos jemand anders hingab. Dir und deiner Familie, Miro. Novinha. Zum ersten Mal gab er anderen Menschen die Macht, ihn in gefühlsmäßiger Hinsicht zu verletzen, und das war zugleich schmerzhaft und belebend, aber selbst damit konnte er prima fertigwerden, denn er ist ein starker Mann, und starke Männer haben schon Schlimmeres ertragen. Jetzt aber ist der Sachverhalt ein völlig anderer. Peter und ich, wir besitzen kein von ihm gesondertes Leben. Zu sagen, daß er mit Novinha eins ist, ist nur eine Metapher; auf Peter und mich trifft es im buchstäblichen Sinne zu. Er ist wir. Und sein Aiúa ist nicht groß genug, es ist nicht stark und fruchtbar genug, es hat nicht genug Aufmerksamkeit in sich, um den drei Leben, die von ihm abhängen, einen gleichen Anteil daran zu schenken. Ich habe das fast sofort bemerkt, als ich … wie sollen wir es nennen, erschaffen wurde? Hergestellt wurde?«
    »Geboren«, sagte die alte Valentine.
    »Du warst ein Traum, der Wirklichkeit wurde«, sagte Miro mit bloß einer Spur von Ironie.
    »Er kann uns nicht alle drei aufrechterhalten. Ender, Peter, mich. Einer von uns wird verblassen. Einer von uns wenigstens wird sterben. Und das bin ich. Ich wußte es von Anfang an. Ich bin diejenige, die sterben wird.«
    Miro wollte sie beruhigen. Aber wie beruhigt man jemanden, es sei denn dadurch, daß man ihm ähnliche Situationen ins Gedächtnis ruft, die sich zum Guten gewendet haben? Es gab keine ähnlichen Situationen, auf die man hätte Bezug nehmen können.
    »Das Dumme ist nur, daß der Teil von Enders Aiúa, den ich trotzdem noch in mir habe, bedingungslos dazu entschlossen ist weiterzuleben. Ich will nicht sterben. Eben deswegen weiß ich, daß ich immer noch einen winzigen Bruchteil seiner Aufmerksamkeit besitze: Ich will nicht sterben.«
    »Also, geh zu ihm«, sagte die alte Valentine. »Sprich mit ihm.«
    Die junge Val ließ ein bitteres Hohnlachen ertönen und sah weg. »Bitte, Papa, laß mich am Leben«, sagte sie in der Nachäffung einer Kinderstimme. »Da es nichts ist, was er bewußt steuert, was könnte er dagegen tun, außer an Schuldgefühlen leiden? Und warum sollte er sich schuldig fühlen? Wenn ich zu existieren aufhöre, so liegt das daran, daß mein eigenes Ich mich nicht genügend wertgeschätzt hat. Er ist ich. Fühlen sich die toten Spitzen der Fingernägel schlecht, wenn man sie abschneidet?«
    »Aber du kämpfst dennoch um seine Aufmerksamkeit«, sagte Miro.
    »Ich hatte gehofft, die Suche nach bewohnbaren Welten würde ihn faszinieren. Ich habe mich in sie hineingestürzt und versucht, ihretwegen aufgeregt zu sein. Aber die Wahrheit ist, daß es reine Routine ist. Wichtig, aber Routine, Miro.«
    Miro nickte. »Nur allzu wahr. Jane findet die Welten. Wir haken sie nur ab.«
    »Und jetzt gibt es genügend Welten. Genügend Kolonien. Zwei Dutzend – die Pequeninos und die Schwarmköniginnen werden nun nicht aussterben, selbst wenn Lusitania zerstört wird. Der Engpaß besteht nicht bei der Anzahl der Welten, sondern bei der Anzahl der Sternenschiffe. Und deswegen lenkt all meine Arbeit Enders Aufmerksamkeit nicht mehr auf sich. Und mein Körper weiß das. Mein Körper weiß, daß er nicht gebraucht wird.«
    Sie langte hoch, nahm einen üppigen Strang ihres Haares in die Faust und zog daran – nicht fest, sondern leicht –, und er löste sich mühelos in ihrer Hand. Ein großer Haarknoten, der nicht den geringsten Schmerz verursachte, als er ausging. Sie ließ die Haare auf den Tisch fallen. Da lagen sie, wie ein abgetrenntes Glied, grotesk, unmöglich. »Ich glaube«, flüsterte sie, »wenn ich nicht vorsichtig bin, könnte ich das gleiche mit meinen Fingern machen. Es geht langsamer, aber nach und nach werde ich genauso zu Staub werden wie dein alter Körper, Miro. Weil er sich nicht für mich interessiert. Peter löst jetzt gerade weit weg irgendwo auf einer anderen Welt Rätsel und ficht politische Kriege aus. Ender kämpft darum, die Frau festzuhalten, die er liebt. Ich aber …«
    In dem Augenblick, als das von ihrem Kopf gerissene Haar die Tiefe ihres Elends, ihrer Einsamkeit, ihrer

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