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Ender 4: Enders Kinder

Ender 4: Enders Kinder

Titel: Ender 4: Enders Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Selbstablehnung enthüllte, begriff Miro, was er sich bisher nicht zu denken gestattet hatte: daß er in all den Wochen, die sie gemeinsam von Welt zu Welt gereist waren, begonnen hatte, sie zu lieben. Ihr Unglücklichsein schmerzte ihn genauso, als sei es sein eigenes. Und vielleicht war es sein eigenes, seine Erinnerung an seine eigene Selbstverachtung. Aber was auch immer der Grund dafür sein mochte, für ihn fühlte es sich trotzdem wie etwas Tieferes an als bloßes Mitleid. Es war eine Art von Begehren. Ja, es war eine Art von Liebe. Wenn diese wunderschöne junge Frau, diese weise und intelligente und clevere junge Frau von ihrem eigenen innersten Empfinden abgelehnt wurde, dann hatte Miros Herz Platz genug, um sie aufzunehmen. Wenn Ender nicht du sein will, laß mich es sein! schrie er lautlos, wohl wissend, während er den Gedanken zum ersten Mal zuließ, daß er, ohne es zu merken, bereits seit Tagen, seit Wochen so empfunden hatte; und dennoch wußte er zugleich auch, daß er für sie nicht das sein konnte, was Ender war.
    Trotzdem, konnte Liebe für die junge Val nicht das bewirken, was sie auch bei Ender selbst bewirkte? Konnte das nicht seine Aufmerksamkeit ausreichend fesseln, um sie am Leben zu erhalten? Sie stark zu machen?
    Miro streckte die Hand aus und hob ihr vom Körper gelöstes Haar auf, wickelte es um seine Finger und ließ die zu einer Schleife gelegten Locken dann in die Tasche seines Umhangs gleiten. »Ich will nicht, daß du dich auflöst«, sagte er. Für ihn kühne Worte.
    Die junge Val blickte ihn merkwürdig an. »Ich dachte, Ouanda sei die große Liebe deines Lebens.«
    »Inzwischen ist sie eine Frau in mittleren Jahren«, sagte Miro. »Verheiratet und glücklich, mit Familie. Es wäre traurig, wenn die große Liebe meines Lebens eine Frau wäre, die nicht länger existiert, und selbst wenn sie es täte, mich doch nicht wollen würde.«
    »Es ist nett von dir, mir das anzubieten«, sagte die junge Val. »Aber ich glaube nicht, daß wir Ender etwas weismachen und ihn dazu verleiten können, sich um mein Leben zu sorgen, indem wir so tun, als verliebten wir uns ineinander.«
    Ihre Worte durchbohrten Miro bis ins Herz, weil sie so mühelos erkannt hatte, wie viel von seiner Selbstproklamation aus Mitleid entsprang. Aber nicht alles kam daher; das meiste davon hatte bereits unterhalb der Bewußtseinsschwelle gebrodelt und bloß auf eine Gelegenheit gewartet, um herauszukommen. »Ich hatte nicht daran gedacht, irgendwem etwas weiszumachen«, sagte Miro. Es sei denn mir selbst, dachte er. Weil die junge Val mich unmöglich lieben kann. Schließlich ist sie im Grunde nicht wirklich eine Frau. Sie ist Ender.
    Aber das war absurd. Ihr Körper war der einer Frau. Und ging die Wahl eines Liebhabers nicht vom Körper aus? Hatte das Aiúa irgend etwas von einem Mann oder einer Frau an sich? Bevor es zum Beherrscher von Fleisch und Knochen wurde, war es da männlich oder weiblich? Und wenn dem so war, bedeutete das dann, daß die Aiúas, aus denen sich die Atome und die Moleküle, die Felsen und die Sterne und das Licht und der Wind zusammensetzten, daß all diese fein säuberlich in Jungen und Mädchen unterteilt waren? Unsinn. Enders Aiúa konnte eine Frau sein, konnte genauso mühelos wie eine Frau lieben, wie sie jetzt, im Körper eines Mannes und nach Männerart, Miros Mutter liebte. Es war kein Defizit in der jungen Val, das dazu führte, daß sie ihn so mitleidig ansah. Es war ein Defizit in ihm. Trotz seines wiederhergestellten Körpers war er kein Mann, den eine Frau – oder zumindest diese Frau, die im Augenblick die begehrenswerteste aller Frauen war – lieben konnte, oder zu lieben wünschen konnte, oder zu erobern hoffen konnte.
    »Ich hätte nicht hierherkommen sollen«, murmelte er. Er schob sich vom Tisch zurück und stürmte mit zwei langen Schritten aus dem Zimmer. Marschierte den Flur entlang und stand wieder in seinem offenen Türdurchgang. Er hörte ihre Stimmen.
    »Nein, geh nicht zu ihm«, sagte die alte Valentine. Dann etwas Leiseres. Dann: »Einen neuen Körper mag er vielleicht haben, aber sein Selbsthaß ist nie geheilt worden.«
    Ein Murmeln von der jungen Val.
    »Miro hat von Herzen gesprochen«, versicherte die alte Valentine ihr. »Das war sehr tapfer und unverblümt von ihm.«
    Wieder sprach die junge Val zu leise, als daß Miro sie hätte verstehen können.
    »Woher willst du das wissen?« sagte die alte Valentine. »Was du verstehen mußt, ist folgendes: Wir

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