Ender 4: Enders Kinder
Berge, und du bist der Tiger, dessen Gebrüll in deinen eigenen Ohren gefrieren wird, bevor du im eisernen Messer meiner Winteraugen erzitterst und stirbst‹?«
»Das klingt nach Ihnen «, sagte Wang-mu. »Drohungen und Prahlerei.«
»Ich bin der rundäugige, schwitzende Mann, der wie der Kadaver eines undichten Skunks stinkt, und du bist die Blume, die verwelken wird, wenn ich nicht sofort eine Dusche mit Lauge und Ammoniak nehme.«
»Halten Sie die Augen geschlossen, wenn Sie das machen«, sagte Wang-mu. »Das Zeug brennt.«
Es gab keinen Computer in der Wohnung. Vielleicht ließ sich der Holoprojektor als Computer benutzen, aber wenn das der Fall war, dann wußte Wang-mu nicht, wie. Seine Kontrollen erinnerten an nichts, was sie in Han Fei-tzus Haus gesehen hatte, aber das stellte kaum eine Überraschung dar. Die Menschen auf Weg übernahmen in nichts ihr Design von anderen Welten, wenn sie es vermeiden konnten. Wang-mu wußte nicht einmal, wie man den Ton abschaltete. Es machte nichts. Sie nahm auf ihrer Matte Platz und versuchte sich an alles zu erinnern, was sie dank ihres Studiums der irdischen Geschichte mit Han Qing-jao und deren Vater, Han Fei-tzu, über das japanische Volk wußte. Sie wußte, daß ihre Ausbildung im günstigsten Falle wenig homogen war, da sich niemand darum gekümmert hatte, ihr als einem Mädchen aus einer niedrigen Klasse viel beizubringen, bis sie sich durch eine List in Qing-jaos Haushalt eingeschlichen hatte. Darum hatte Han Fei-tzu ihr gesagt, sie solle sich nicht mit formellen Studien plagen, sondern sich einfach nur mit den Informationen beschäftigen, zu denen ihre Interessen sie leiteten. »Da du keine traditionelle Ausbildung genossen hast, ist dein Geist unverdorben. Deshalb mußt du dich selbst deinen eigenen Weg in alle Sachgebiete entdecken lassen.« Trotz dieser scheinbaren Freiheit hatte Fei-tzu ihr bald gezeigt, daß er ein strenger Lehrmeister war, auch wenn die Themen frei gewählt waren. Was immer sie über Geschichte oder Biographien lernte, er pflegte sie herauszufordern, sie auszufragen; zu verlangen, daß sie verallgemeinerte, und dann ihre Verallgemeinerungen zu widerlegen; und dann, wenn sie ihre Meinung änderte, pflegte er genauso scharf zu verlangen, daß sie ihre neue Einstellung verteidigte, selbst wenn es noch einen Augenblick zuvor seine eigene gewesen war. Das Ergebnis war trotz ihrer beschränkten Bildung eine ständige Bereitschaft, nochmals zu prüfen, alte Schlußfolgerungen über Bord zu werfen und neue Hypothesen aufzustellen. Deswegen konnte sie die Augen schließen und ihre Ausbildung auch ohne ein Juwel, das ihr etwas ins Ohr flüsterte, fortsetzen, denn sie konnte immer noch Han Fei-tzus sarkastische Fragen hören, obwohl er doch Lichtjahre entfernt war.
Die Schauspieler hörten auf zu lärmen, bevor Peter zu Ende geduscht hatte. Wang-mu bemerkte es nicht. Aber sie merkte auf, als eine Stimme aus dem Holoprojektor sagte: »Möchten Sie eine weitere Aufzeichnung sehen, oder würden Sie es vorziehen, sich in eine laufende Sendung einzuschalten?«
Einen Augenblick lang dachte Wang-mu, daß es sich bei der Stimme um Jane handeln müsse; dann erkannte sie, daß es einfach die Routineanfrage einer Maschine war. »Hast du Nachrichten?« fragte sie.
»Lokale, regionale, planetare oder interplanetare?« fragte die Maschine.
»Fang mit den lokalen an«, sagte Wang-mu. Sie war fremd hier. Genausogut konnte sie anfangen, sich mit den hiesigen Gegebenheiten vertraut zu machen.
Als Peter auftauchte, sauber und in eines der ortsüblichen modischen Gewänder gekleidet, die Jane für ihn hatte liefern lassen, war Wang-mu in einen Bericht über den Prozeß gegen irgendwelche Leute vertieft, die angeklagt waren, eine üppige Kaltwasserregion ein paar hundert Kilometer von der Stadt entfernt, in der sie sich befanden, überfischt zu haben. Wie hieß dieser Ort doch gleich? Ach ja. Nagoya. Da Jane das auf all ihren falschen Unterlagen als ihre Heimatstadt angegeben hatte, hatte der Schweber sie natürlich dorthin gebracht. »Alle Welten sind gleich«, sagte Wang-mu. »Die Menschen wollen Fisch aus dem Meer essen, und manche Leute wollen mehr Fische fangen, als der Ozean nachwachsen lassen kann.«
»Was schadet es denn, wenn ich einen Tag länger fische oder eine Tonne mehr nehme?« fragte Peter.
»Wenn jeder das tut, dann –« Sie hielt inne. »Verstehe. Sie haben ironisch die Selbstrechtfertigung der Übeltäter formuliert.«
»Bin ich jetzt hübsch
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