Ender 4: Enders Kinder
Obsessionen waren, die wir so interpretierten, daß dadurch unser Gehorsam gegenüber –«
»Bloß weil eure Götter nicht existieren, heißt das nicht, daß meine es nicht tun«, sagte Grace.
»Sie muß durch ganze Felder toter Götter gestapft sein, nur um hierher zu kommen!« rief Graces Ehemann und lachte brüllend. Erst jetzt, da Wang-mu wußte, was sein Gelächter wirklich bedeutete, erfüllte sein Lachen sie mit Furcht.
Grace legte einen riesigen, schweren Arm um ihre schmalen Schultern. »Keine Sorge«, sagte sie. »Mein Ehemann ist ein zivilisierter Mensch, und er hat noch nie jemanden umgebracht.«
»Aber nicht, weil ich es nicht versucht hätte!« grölte er. »Nein, das war ein Witz!« Er weinte fast vor Gelächter.
»Wir können nicht einfach hingehen und Malu aufsuchen«, sagte Grace, »weil wir euch vorher reinigen müßten und ich nicht glaube, daß ihr bereit seid, die Versprechen abzugeben, die ihr abgeben müßtet – und vor allem glaube ich nicht, daß ihr bereit seid, sie abzugeben und tatsächlich zu meinen, was ihr sagt. Und das sind Versprechen, die gehalten werden müssen. Also kommt Malu hierher. Er wird gerade jetzt im Augenblick zu dieser Insel gerudert – er benutzt niemals Motorboote, darum möchte ich, daß ihr ganz genau begreift, wie viele Menschen Stunden um Stunden schwitzen, bloß damit ihr euren Plausch mit ihm halten könnt. Ich will euch nur dies sagen – euch wird eine außergewöhnliche Ehre zuteil, und ich fordere euch dringend auf, nicht mit irgendeiner Art von akademischem oder wissenschaftlichem Hochmut die Nase über ihn zu rümpfen. Ich habe eine Menge berühmter Menschen getroffen, von denen einige ziemlich klug waren, aber dies ist der weiseste Mann, den ihr jemals kennenlernen werdet, und wenn ihr feststellt, daß ihr euch zu langweilen anfangt, dann denkt stets daran: Malu ist nicht so dumm zu glauben, man könne Tatsachen aus ihrem Kontext herauslösen, und sie seien dann immer noch wahr. Deshalb stellt er immer alle Dinge, die er sagt, in ihren vollen Kontext, und wenn das bedeutet, daß ihr einer kompletten Geschichte der menschlichen Rasse von ihren Anfängen bis heute zuhören müßt, bevor er irgend etwas sagt, was ihr für relevant haltet, tja, dann schlage ich vor, daß ihr einfach den Mund haltet und zuhört, weil das beste von dem, was er sagt, meistens zufällig und irrelevant ist und ihr verdammtes Glück habt, wenn ihr Verstand genug besitzt, um zu bemerken, was es ist. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
Wang-mu wünschte von ganzem Herzen, weniger gegessen zu haben. Im Augenblick war ihr ziemlich übel vor Angst, und wenn sie sich tatsächlich übergab, würde es sicherlich eine halbe Stunde dauern, um das alles wieder aus sich herauszubekommen.
Peter indes nickte einfach nur ruhig. »Wir hatten das nicht begriffen, Grace, obwohl meine Partnerin einige Ihrer Schriften gelesen hat. Wir dachten, wir seien gekommen, um mit einem Philosophen wie Aimaina oder einer Gelehrten wie Ihnen zu sprechen. Aber nun sehe ich, daß wir gekommen sind, um einem Weisen zuzuhören, dessen Erfahrungen in Bereiche hineinreichen, die wir nie gesehen oder auch nur zu sehen erträumt haben. Wir werden schweigend zuhören, bis er uns auffordert, ihm Fragen zu stellen, und wir werden darauf vertrauen, daß er besser als wir selbst weiß, was zu hören uns not tut.« Wang-mu erkannte eine vollständige Kapitulation, wenn sie sie sah, und sie war dankbar, daß alle am Tisch zufrieden nickten und keiner sich verpflichtet fühlte, einen Witz zu machen.
»Wir sind auch dankbar dafür, daß der Ehrwürdige, ebenso wie viele andere, ein so großes Opfer gebracht hat, um persönlich zu uns zu kommen und uns mit Weisheit zu segnen, die zu empfangen wir nicht würdig sind.« Zu Wang-mus Entsetzen lachte Grace laut über sie, statt respektvoll zu nicken.
»Viel zu dick aufgetragen«, murmelte Peter.
»Ach, kritisiere sie nicht«, sagte Grace. »Sie ist eine Chinesin. Von Weg, richtig? Und ich würde wetten, du warst früher einmal eine Dienerin. Wie könntest du da den Unterschied zwischen Respekt und Unterwürfigkeit gelernt haben? Herren sind niemals mit bloßem Respekt von Seiten ihrer Diener zufrieden.«
»Aber mein Herr war es«, sagte Wang-mu in einem Versuch, Han Fei-tzu zu verteidigen.
»Genau wie meiner«, sagte Grace. »Wie ihr sehen werdet, wenn ihr ihn kennenlernt.«
»Es ist soweit«, sagte Jane. Miro und Val blickten mit müden Augen von den
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