Endlich Endzeit - ein Baden-Württemberg-Krimi
hat, hätte sich ihr Kopf zum einen ebenfalls zu weit unten befunden, um von der Eisenstange verletzt zu werden – und zum anderen hätte die Person dann auch mehr Abstand zum Mordopfer gehabt.«
»Hm«, machte Schneider und dachte nach. »Konnten Sie oder Raus Leute denn da unten …« – er deutete zwischen die Beine des Toten – »… noch Spuren sichern, die Ihre und Raus Vermutung stützen?«
»Nein, Sie sehen ja selbst: Da ist wegen des Feuers leider nichts mehr übrig, was uns noch weiterhelfen würde.«
Volker Reezer und Katja Ohser mussten etwas warten, bis im Haus jemand auf die Türklingel reagierte. Auf der Frickenhausener Straße tuckerte ein Traktor daher und fuhr mit einigem Getöse weiter auf den Gschwender Marktplatz zu. Reezer klingelte noch einmal. Endlich schwang das Fenster über der Haustür auf und eine Frau mit rötlichbraun eingefärbtem Pagenschnitt schaute herunter.
»Guten Tag, Frau Röhm!«, rief Reezer hinauf. »Ist denn Ihr Mann da? Wir hätten eine Frage.«
»Ah, Herr Reezer, hallo! Warten Sie, ich komm gschwind runter.«
Das Fenster wurde geschlossen, und kurz darauf stand Doris Röhm, sechsundvierzig Jahre alt, schlank und eher klein, vor den beiden Polizisten.
»Hat er denn was angestellt, mein Hansjochen?«, fragte sie in munterem Plauderton, aber ihr gehetzter Blick verriet die innere Anspannung.
»Nein, natürlich nicht. Wir wollen ihn nur kurz was fragen, er kennt doch alle hier in der Gegend, und vielleicht kann er uns in einem Fall weiterhelfen. Ist keine große Sache, reine Routine.«
Reezer sprach so beruhigend auf sie ein, wie er konnte: Er wusste, dass die Frau seit zwei Fehlgeburten kurz nach ihrer Hochzeit mit dem Druckereibesitzer Hansjochen Röhm nervliche Probleme hatte, die mit den Jahren eher schlimmer geworden waren. Einmal hatte sie einen Zusammenbruch erlitten und war nachts vom Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht worden – das hatte natürlich das halbe Dorf mitbekommen, und das anschließende Getuschel machte Doris Röhms Nervenkostüm nicht stabiler.
»Worum geht’s denn?«
»Sie wissen ja: Dazu darf ich nichts sagen«, schwindelte Reezer. »Können wir kurz reinkommen?«
»Dürfen Sie gerne, aber Hansjochen ist leider nicht da. Er ist gestern Nachmittag direkt von der Druckerei zu einem Kunden gefahren und hatte danach noch einen Termin. Jedenfalls hat er mir gestern beim Mittagessen gesagt, dass er wohl erst sehr spät am Abend wieder zurück sein wird. Ich vermute mal, dass er mich nicht stören wollte und dass er wieder mal in der Druckerei geschlafen hat. Da geht’s ja gleich frühmorgens wieder los.«
Reezer nickte und dachte fieberhaft darüber nach, unter welchem Vorwand er wohl ins Haus und dort vielleicht ins Bad gehen konnte.
»Am besten fahren Sie in die Druckerei raus, dort wird er sein, wenn er nicht schon wieder einen Kundentermin hat. Im Moment ist viel los, wissen Sie, Herr Reezer? Vor lauter Terminen und Aufträgen hat er kaum noch Freizeit – und dann noch der Gemeinderat, die Besprechungen mit der Fraktion, die Ausschusssitzungen …«
Sie schüttelte missbilligend den Kopf.
»Wenn er nicht gut aufpasst, bringt ihn das alles noch um.«
Sie deutete auf ihre linke Brust und raunte Reezer zu: »Sein Herz, wissen Sie? Der Arzt sagt, er solle sich schonen – aber mein Mann hört ja auf niemanden.«
Reezer wurde ganz bleich, als er sie so reden hörte.
»Was ist denn, Herr Reezer?«
»Ach, ich …«
Er schluckte, seine Kollegin sprang für ihn ein.
»Herr Reezer sollte sich ebenfalls schonen, wie Ihr Mann«, sagte sie schnell. »Aber auch mein Kollege hört auf niemanden.«
Sie zwinkerte der anderen mit Verschwörermiene zu und hoffte inständig, sie würde ihr das aufgesetzte Lächeln abkaufen.
»Ja, ja, so sind sie halt, die Männer. Wollen Sie ein Glas Wasser, Herr Reezer?«
»Nein, nein«, wehrte der im ersten Reflex ab und tippte sich an die Mütze. »Wir fahren am besten jetzt rüber in die Druckerei. Sie haben recht: Dort werden wir Ihren Mann wohl am ehesten antreffen. Tschüs, Frau Röhm.«
Damit wandte er sich ab, stieg in den Streifenwagen und brauste, kaum dass seine Kollegin auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, mit aufheulendem Motor los.
Doris Röhm schaute den beiden noch verwundert nach, dann sah sie Erna Übele ums Eck schlurfen, diese elende Tratschtante, und verschwand schnell im Haus, bevor die Alte sie in eines ihrer endlosen Gespräche verwickeln konnte.
»Mist«, schimpfte
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