Endlich Endzeit - ein Baden-Württemberg-Krimi
ausgeschlafen?«
Die Männerstimme klang laut hier draußen, und selbst im Zelt schien es, als stände der Mann nur ein paar Schritte entfernt. Die Fahrertür des Streifenwagens wurde geöffnet, und der andere Polizist maulte ein bisschen. Hasselmann steckte die Kamera wieder weg, schlich aus dem Zelt und hielt sich immer im Schatten der Bäume, die sich entlang der Wiese bis hin zu dem einsam stehenden Bauernhaus zogen. So war er vom Streifenwagen aus nicht zu sehen, und das Haus lag noch still da, seine Bewohner schienen noch zu schlafen.
Kurz ärgerte er sich, weil seine Schuhe auf dem auch im Winter etwas sumpfigen Pfad entlang des Baches, den die Baumlinie säumte, etwas Wasser gezogen hatten, und weil er jetzt einen riesigen Umweg vor sich hatte bis zu seinem Auto, das er am äußersten Ortsrand von Ebni abgestellt hatte, um nicht auf dem offiziellen Parkplatz unten am See von der Polizei entdeckt zu werden. Doch dann überwog die Vorfreude auf seinen nächsten großen Artikel und auf das Lob, das er sich dafür von Chefredakteur Heinz-Günther Sebering erhoffte.
Inzwischen kannte sich Kommissar Schneider schon recht gut aus im Rems-Murr-Kreis, vor allem der Schwäbische Wald war ihm fast schon so vertraut wie die Gegend um seine Geburtsstadt Karlsruhe. 2007 hatte er seinen Dienst hier angetreten, damals als frischgebackener Leiter der Kripoaußenstelle Schorndorf und seit deren Auflösung als gefragter Ermittler in der Waiblinger Zentrale.
Für die Fahrt zu Roland Hegers Wohnhaus bemühte er zwar das Navi, aber viele Straßen, durch die er und Ernst, den er auf dem Hinweg noch in Ebni abgeholt hatte, kamen, erkannte er wieder. Manche erinnerten ihn an vergangene Fälle. Und als sie in Althütte am Rathaus nach links abbogen, wusste er, dass diese Straße hinunter ins Wieslauftal führte, in das kleine Dorf, zu dem Tatort seines ersten Mordfalls hier im Schwäbischen.
»Komisch«, ging es ihm durch den Kopf, »auch damals hatte ein Jäger die Leiche entdeckt – wie diesmal Heger.«
Er hatte keinen leichten Start gehabt, damals, als Badener unter Schwaben, als neuer Chef, den alle erst einmal argwöhnisch beäugten – vor allem Kollege Ernst, der selbst gern Leiter der Kripoaußenstelle geworden wäre. Schneider sah zu seinem Beifahrer hinüber, der noch etwas übernächtigt wirkte: Inzwischen waren sie fast Freunde geworden, mindestens jedoch gute Kollegen, die sich gegenseitig respektierten.
Seit gut fünf Jahren war er nun hier, und längst hatte er seine Kollegen, auch Nachbarn und private Bekannte zu schätzen gelernt. Irgendjemand hatte mal in einem Interview auf die Frage, ob es denn leicht oder schwer sei, Schwaben als Freunde zu gewinnen, geantwortet: Es sei schwer, aber wenn es dann mal geklappt habe, seien das immer Freunde fürs Leben gewesen.
Schneider dachte an sein schön gelegenes Haus in den Berglen, an seinen bereits im Schwäbischen geborenen Sohn Rainald, und ein warmes Gefühl durchströmte ihn. Es war schön hier, und sein Leben hatte gerade eine sehr gute Phase. Vielleicht sogar die beste bisher.
Und es sah ganz danach aus, als würde das zunächst so bleiben. Die Polizeireform wirbelte zwar im Land vieles durcheinander, aber er als Kriminalbeamter kam sozusagen mit einem blauen Auge davon: Die Direktionen Waiblingen, Schwäbisch Hall und Aalen wurden zusammengelegt, und sein Chef Binnig würde als neuer Präsident in Aalen residieren – aber er selbst konnte in Waiblingen bleiben, wo die neue Kriminaldirektion für alle drei Landkreisgebiete angesiedelt war.
Gedankenverloren rollte er die kurvige Straße entlang, am Ortsschild vorbei und trat das Gaspedal durch. Der Sportwagen, der trotz seines fortgeschrittenen Alters noch tadellos in Schuss war, machte auf der abschüssigen Strecke einen kleinen Satz nach vorne – und die Frauenstimme aus dem Navi forderte: »Bei der nächsten Gelegenheit bitte wenden!«
Verblüfft sah Schneider auf das Display – offenbar hatte er ganz vergessen, die genannte Abzweigung zu nehmen, und das nicht erst vor hundert Metern. Ernst grinste und deutete auf die Einmündung eines Feldwegs, wo sie umdrehen konnten.
»Ich dachte schon, Sie hören die Ansage gar nicht mehr«, sagte er. »Woran haben Sie denn gerade gedacht? Sie hatten ein richtig seliges Lächeln auf dem Gesicht.«
»Ach, nichts«, sagte Schneider nur und grinste ebenfalls. »Aber Sie hätten mich ruhig wecken können.«
Kurz darauf bogen sie von der Hauptstraße ab und
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