Endlich geborgen
aber sie wusste, dass er sie und Kevin sehr gern hatte. Niemals würde er ihnen wehtun. Für den Augenblick genügte ihr das. Sie fühlte sich sicher.
Es war nun an der Zeit, ihm alles zu sagen.
Mit einem Seufzer setzte sie sich hin, fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dann griff sie nach der Armbanduhr, die neben dem Bett auf dem Boden lag. Himmel! Es war beinahe halb elf. Bald würde Kevin nach Hause kommen. Wenn sie mit Gabriel reden wollte, ehe ihr Sohn zurück war, dann sollte sie sich beeilen.
Sie hatte ihm so viel zu sagen.
Gabriel schenkte sich Kaffee ein, ehe er an den Kühlschrank trat, um etwas zu essen zu suchen. Er nahm Eier, Schinken und Speck heraus, legte die Lebensmittel auf den Tisch, fand dann noch Kartoffeln und Brot und stellte beides dazu.
Er lächelte vor sich hin. Sie würden nicht abreisen. Wir bleiben, hatte sie gesagt.
Er nahm Messer und Bratenwender aus der Schublade und legte sie ebenfalls auf den Tisch. Dann blickte er nach oben, wo er die Dusche plätschern hörte. Er stellte sich Melanie vor, nackt, den Körper mit Schaum bedeckt, und erwog, zu ihr zu gehen, nicht nur, weil er wieder mit ihr schlafen wollte, sondern auch, weil er sie einfach im Arm halten, noch einmal hören wollte, wie sie es aussprach: Wir bleiben.
Keine Geheimnisse mehr. Vor wem auch immer sie davonlaufen mochte, Gabriel würde es bald wissen. Gestern Abend musste Ian den Bericht aus Washington bekommen haben, und heute würde er ihn mit bringen. Alles würde offen gelegt werden. Egal was in der Akte stehen mochte, er würde damit fertig werden.
Beim Klang einer Hupe drehte er sich um. Oben plätscherte noch immer das Duschwasser, als er auf die vordere Veranda hinaustrat. Kevin sprang hinten aus dem Wagen und rannte auf ihn zu. Sein helles Haar schimmerte in der Sonne, und seine blauen Augen strahlten.
„Gabriel! Gabriel! Ich habe einen Preis gewonnen!”
Gabriel breitete die Arme aus, und Kevin warf sich hinein. „Willst du sehen?”
Er sprang davon, ehe Gabriel antworten konnte. „Ich will es meiner Mommy zeigen!”
Kevin rannte zur Vordertür, blieb unvermittelt stehen, lief zurück und schlang die Arme um Gabriels Beine.
Dann lief er zum Haus und warf die Tür hinter sich zu.
Gabriel stand verblüfft da.
„Er mag dich.” Ian lehnte sich an eine Verandasäule und grinste. „Melanie auch.”
„Wo ist Cara?”
„Sie hat nur einen Blick auf all die Pfannkuchen heute Morgen geworfen, dann wurde sie ganz grün im Gesicht und lief ins Bad.” Ian seufzte mitfühlend.
Und Gabriel nickte verständnisvoll. Als er die Mappe in Ians Hand bemerkte, deutete er darauf. „Ist das für mich?”
Ian runzelte die Stirn und reichte Gabriel die Mappe. „Es wird dir nicht gefallen.”
„Das habe ich auch nicht erwartet.” Mit einem flauen Gefühl im Magen nahm er die Mappe.
Ian warf einen Blick auf das Haus, bevor er leise sagte: „Ihr wirklicher Name ist Melissa Van Camp. Sie war fünf Jahre mit einem Kerl namens Phillip Van Camp verheiratet, bis er vergangenes Jahr bei einem Bootsunfall ums Leben kam. Damals lebten sie schon getrennt.”
„Sie hat mir von ihrem Mann erzählt. Er war ein Bastard.”
Ian nickte. „Der Akte nach zu urteilen, stimmt das. Sein Vater war Richter, ehe er vor drei Jahren an Krebs starb, und sehr wohlhabend. Mit all dem Geld und den Beziehungen schien die Familie zu glauben, dass die Gesetze für sie nicht gelten. Vor seinem Tod wurde Phillip zwei Mal festgenommen, einmal wegen Körperverletzung. Seltsamerweise kam es zu keinem Verfahren.”
„Wen hat er verletzt?” fragte Gabriel.
„Ruhig, Gabriel”, sagte Ian. „Einmal war es eine Auseinandersetzung mit einem Verkäufer, das andere Mal mit einem Polizisten.”
„Er hat einen Polizisten verletzt und ist davongekommen?” fragte Gabriel überrascht.
„Wie ich sagte”, fuhr Ian fort. „Die Van Camps sind eine einflussreiche Familie. Aber da Phillip tot ist, spielt es keine Rolle, wen er ange griffen hat.”
„Dann hör auf, um den heißen Brei herumzureden, und sag mir, worum es geht”, forderte Gabriel ihn ungeduldig auf. „Wovor, zum Teufel, fürchtet Melanie sich so sehr?”
„Vor ihrer Schwiegermutter, Louise Van Camp. Einigen Quellen zufolge, hat Louise Van Camp nach Phillips Tod begonnen, über Melanies und Kevins Leben zu bestimmen. Sie mussten bei ihr leben, bis Kevin dieselbe Militärschule besuchen konnte wie Phillip. Das war der Punkt, als Melanie - Melissa - sich zu wehren begann. Oder es
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