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Endlich wieder leben

Endlich wieder leben

Titel: Endlich wieder leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Hirsch
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misstraute den Kalkulationen des Schwiegersohns von Anfang an, missbilligte seinen Umgang mit den Angestellten und war der Ansicht, dass der Firmenanteil des Schwiegersohns nicht richtig floriere.
    Es stimmte: Keiner in der Familie konnte Willy Bruns das Wasser reichen. Selbstverständlich nicht die Töchter (die sollten möglichst bald heiraten und Kinder bekommen), nicht der Sohn und nicht der Schwiegersohn. Keiner besaß jene spezifische Mischung aus Intuition und kühler Kalkulation, die ihn immer wieder überraschende Entscheidungen fällen ließ. So verkaufte er 1963 seine gesamte Flotte mit neun Kühlschiffen an die Sowjetunion. Weit über zwanzig Mal war er nach Moskau gereist, um mit den Wirtschaftsfunktionären von Sudo-Import zu verhandeln, dann war der Vertrag perfekt. Laut Spiegel war es der größte Schiffshandel, der zwischen Bundesdeutschen und Russen bis zu diesem Zeitpunkt getätigt worden war.
    Mit dem Erlös aus dem Verkauf orderte Bruns sofort zehn neue Schiffe und wurde so Besitzer der modernsten Flotte unter bundesdeutscher Flagge.

    In Deutschland war Bruns nun der größte. Doch weltweit waren die United Fruit Company und die Dole Company viel größer. Und während der Marktanteil der makellos gelben Bananen seiner Konkurrenten ununterbrochen stieg, erlitt Bruns mit seinen braungefleckten Bajellos zunehmend Einbrüche. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre gab er auf. Er nahm ein Übernahmeangebot der Dole Company an und verkaufte – ähnlich rigoros wie fünfzehn Jahre zuvor bei der Sowjetunion – seine Frachtschiffflotte von sieben Schiffen an den US-Konzern.
    Da war Bruns 73 Jahre und orderte keine neuen Schiffe mehr. Zur Überraschung vieler gab er die Reederei vollständig auf. 254 Seeleute und achtzehn Bürokräfte erhielten die Kündigung. Mit Willy Bruns hatte die Firma einen rasanten Aufstieg erlebt, mit Willy Bruns fand die Firma ihr Ende. Dem alten Patriarchen fiel es offensichtlich leichter, Millionen in Aktien und Spareinlagen zu hinterlassen, als seinen Betrieb an Kinder und Enkel zu vererben, denen er nicht zutraute, dass sie diesen so gut führen würden wie er.
    Willy Bruns starb 1998 im Alter von 94 Jahren, wenige Monate nach seiner Frau. Als man ihn zu Grabe trug, wurde für den Trauerzug die Elbchaussee gesperrt.
    Frauen standen damals fast nie an der Spitze großer Unternehmen, aber es gab auch unter ihnen diese eigenwilligen und einzigartigen Persönlichkeiten, die sich mit eisernem Willen, Ehrgeiz und Fleiß in wenigen Jahren emporarbeiteten und ihre männliche Konkurrenz manchmal sogar übertrafen. Es waren Frauen wie Beate Uhse und Aenne Burda, die beide am konventionell-konservativen Rahmen der Ehe festhielten, doch ihre Rolle als Ehefrau und Mutter höchst unkonventionell verstanden.
    Aenne Burda, 1909 als Tochter eines Lokomotivführers in Offenburg geboren, lebte mit ihrem Ehemann Franz im gemeinsamen Haus, doch »der Zug«, so formulierte sie 1981, »ist bei uns schon lange abgefahren«. Franz Burda hatte sie jahrelang mit seiner Sekretärin Elfriede Breuer betrogen. Als das Verhältnis 1949 aufflog, forderte die betrogene Ehefrau allerdings nicht die Scheidung,
sondern Wiedergutmachung. Sie bestand darauf, genau jenen Verlag zu übernehmen, den Burda seiner Geliebten geschenkt hatte, obwohl 200 000 Mark Druckschulden auf ihm lasteten. Aenne Burda hat damals nicht nur den Machtkampf mit der Nebenbuhlerin für sich entschieden, sie hat mit deren 48 Angestellten auch den Grundstein für ihre Existenz als Unternehmerin gelegt. Als Chefin machte sie die Burda Moden zur weltweit größten Modezeitschrift und erwirtschaftete zeitweilig mehr als ihr Ehemann mit der Bunten , obwohl sie weder eine Ausbildung im Journalismus noch im Blattmachen besaß. Sie lernte by doing: »Man kann meist viel mehr tun, als man sich gemeinhin zutraut.«
    Durchschlagend für den Erfolg von Burda Moden wurden die seit 1952 beigelegten Schnittmusterbogen. Mode zum Selbermachen kam an, denn fast alle deutschen Frauen konnten nähen, aber nur wenige verfügten über ausreichend Geld, um Konfektionsware kaufen zu können. Burdas Stil traf zudem einen weit verbreiteten Geschmack: ein wenig bieder mit dezenter Eleganz, Kleider und Mäntel immer kombiniert mit den dazugehörigen Accessoires. 1957 überschritt die Auflage die erste Million. In den achtziger Jahren wurden Aenne Burdas Publikationen in achtzehn Sprachen übersetzt und in über hundert Ländern vertrieben. 1987 brachte sie

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