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Endlich wieder leben

Endlich wieder leben

Titel: Endlich wieder leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Hirsch
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Eltern angeliefert wurden, mit fünfzehn absovierte er eine kaufmännische Lehre, mit achtzehn Jahren gründete er eine eigene Handelsfirma, mit zwanzig ging er pleite. Das, sagt seine Tochter Helga Hegewisch, 108 sollte ihm nie wieder passieren.
    Anfang der 1930er Jahre begann er als kaufmännischer Angestellter in einer Fruchtfirma. Als der Eigentümer es nach einigen Jahren ablehnte, den ehrgeizigen Angestellten als Geschäftspartner zu akzeptieren, mietete Willy Bruns selbst ein Büro im Hamburger Fruchthof und spezialisierte sich auf die Einfuhr von Trockenfrüchten aus Spanien und der Türkei. Im Zweiten Weltkrieg, in dem er UK (unabkömmlich) gestellt wurde, importierte er sogar aus dem besetzten Serbien. Nach dem Krieg führte er zusätzlich Zwiebeln aus Ägypten ein, was ihm auf dem Hamburger Großmarkt den Spitznamen »Zwiebel-Willy« einbrachte.
    Von Ende der 1940er Jahre an, als die Alliierten die Fahrbeschränkungen für die deutsche Schifffahrt aufhoben und für Investitionen in die Handelsflotte enorme Steuervergünstigungen bereitgestellt wurden, machte der inzwischen über 45-jährige Kaufmann auch Karriere als Reeder. 1952 liefen seine ersten beiden Schiffe Brunsbüttel und Brunshausen vom Stapel. Es folgten 1954 die Brunseck und 1956 die Brunswick . Parallel trat Bruns in ein Gemeinschaftsunternehmen von vier Fruchtkaufleuten ein, die vier große Kühlschiffe in Auftrag gaben beziehungsweise kauften – Quadriga, Quartole,
Quadrivium und Quartett  – und auch in das Geschäft in Übersee einstiegen.
    Von Deutschland nach USA, Mexiko und Kanada transportierten die Schiffe VW-Käfer, auf der Rückfahrt nahmen sie Bananen aus Ecuador an Bord. Bruns erwarb Bananenplantagen und schickte seinen Sohn nach Guayaquil, damit er dort die Verschiffung der Früchte mit der eigenen Firma organisierte. Jede Woche hatte der gerade einmal Zwanzigjährige ein Schiff zu beladen, das gut 120 Meter lang und 20 Meter breit war und 120 000 Kartons Bananen aufnahm. Bananen waren gefragt, Bananen verkauften sich gut, die Gewinnkurve zeigte steil nach oben.
    Als sich Bruns’ Partner Ende der fünfziger Jahre aus dem Gemeinschaftsunternehmen zurückzogen, zahlte Bruns sie aus und führte das Geschäft allein weiter. Er kaufte die Brunsgard, Brunskappel, Brunshöft und andere Schiffe hinzu und war Ende der sechziger Jahre mit zehn Kühlschiffen der bedeutendste Kühlschiffsreeder in Deutschland.
    Bruns und seine Frau führten ein offenes Haus. Bereits Anfang der fünfziger Jahre hatten sie eine repräsentative weiße Villa in Hamburgs feinster Gegend an der Elbchaussee gekauft, ein Haus auf der elbzugewandten Seite mit einer wunderbaren Aussicht auf den Fluss. Gäste waren immer willkommen, Freunde der Kinder ebenso wie Verwandte oder Geschäftskollegen. Am gesellschaftlichen Leben der Stadt nahm Bruns allerdings nicht teil, er übernahm auch keine Ehrenämter und ließ sich nicht für den Hamburger Senat nominieren. Schon bei den Nazis war er nicht in die Partei eingetreten, auch in der Bundesrepublik hielt er sich von den Parteien fern. Er dachte nicht: Ich muss helfen, Deutschland wieder aufzubauen. Er dachte: Ich will meine Firma hochbringen und für meine Familie sorgen. Die Firma und die Familie blieben ihm das Wichtigste bis ins hohe Alter.
    Tochter Hexi war stolz auf diesen Vater, der früher als andere die wirtschaftlichen Entwicklungen erkannte, der größere Erfolge als andere vorweisen konnte und dennoch nie arrogant und protzig
auftrat. Doch sie empfand einen gewissen Stachel, dass ihre Familie nicht zu den »feinen« Leuten der Stadt gehörte, den Hanseaten, die Namen trugen wie Münchmeyer, Lutteroth oder Amsinck und auf eine jahrhundertealte Tradition als Kaufleute, Reeder, Banker und Senatoren zurückblickten. Newcomer waren unerwünscht bei diesen Alteingesessenen, die – so erlebte Hexi es in der Tanzstunde – immer noch zusammenhielten, selbst wenn sie nicht mehr zu den Reichsten zählten. Am liebsten hätte Hexi beides gehabt: den Aufbruch-Vater, der kämpfte und auf Leistung orientiert war, und die Tradition, die mit lässiger Souveränität auf die Welt blickte.
    Im Grunde seiner Seele war Willy Bruns gerecht und gütig, ist Tochter Hexi überzeugt, doch er war ein echter Patriarch und sehr autoritär. Sie ahnte gleich, dass ihr Mann einen Fehler beging, als er seine eigene Firma in den Betrieb des Schwiegervaters einbrachte und beim Schwiegervater das Inlandsgeschäft übernahm. Willy Bruns

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