Endlich
war, nun aber von den geldgierigen modernen Ärzten verheimlicht wird. Ein anderer schreibt mir, ich solle jede Menge Testosteron-Supplemente konsumieren, vielleicht zur Hebung der Moral. Oder ich muss mich darum kümmern, bestimmte Chakren zu öffnen und mich in einen angemessen empfänglichen Geisteszustand versetzen. Makrobiotische oder vegane Diät ist alles, was ich währenddessen zur Ernährung brauche. Und lachen Sie nicht über den armen alten Mr. Angstrom oben. Von einer berühmten Universität schreibt mir jemand, ich solle mich kryonisch oder kryogenetisch tieffrieren lassen und so den Tag erwarten, da die Wunderdroge oder was auch immer erfunden sein wird. (Als ich hierauf nicht antwortete, bekam ich eine zweite Nachricht, in der man vorschlug, ich solle wenigstens mein Hirn tieffrieren lassen, damit die Nachwelt meinen Kortex studieren könne. Nun, was soll ich sagen – vielen, vielen Dank.) Andererseits bekam ich einen netten Brief von einer Freundin, die eine Cheyenne-Arapaho ist und schrieb, alle ihr bekannten Personen, die zu den alten Stammesheilmitteln gegriffen hätten, wären fast sofort tot gewesen. Sie riet, wenn man mir irgendwelche Medizinen der alten Indianerkulturen anböte, solle ich »so schnell wie möglich die entgegengesetzte Richtung einschlagen«. Es gibt Ratschläge, die sich tatsächlich befolgen lassen.
Selbst in der Welt der Vernunft und der Moderne geht das jedoch oft nicht. Äußerst gut informierte Leute melden sich und behaupten, es käme nur ein einziger Arzt in Frage oder eine einzige Klinik. Diese Mediziner oder Hospitäler liegen so weit auseinander wie Cleveland und Kyoto. Selbst wenn ich ein eigenes Flugzeug besäße, könnte ich nie das Gefühl haben, alle – geschweige denn alles – versucht zu haben. Die Bewohner von Tumorhausen werden fortwährend mit Behandlungsmethoden und Gerüchten von erfolgreichen Behandlungen attackiert. Ich begab mich tatsächlich zu einem eindrucksvollen Palazzo von Klinik im reicheren Teil der heimgesuchten Stadt; ich werde dieses Krankenhaus aber nicht näher benennen, weil ich dort nichts bekam außer einer langen und langweiligen Darlegung dessen, was ich bereits wusste, sowie (auf einer der Untersuchungsliegen dieses legendären Etablissements) einen Insektenstich, der meine linke Hand kurzzeitig auf den doppelten Umfang anschwellen ließ. Dies wäre selbst in meiner Zeit vor dem Krebs überflüssig gewesen, doch für jemanden mit einem chemisch verpesteten Immunsystem war es eine wirkliche Irritation.
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Immerhin, es ist dies eine ebenso befriedigende wie melancholische Zeit, wenn man einen Krebs wie den meinen hat. Befriedigend, weil mein ruhiger und gelehrter Onkologe, Dr. Frederick Smith, einen Chemococktail zu konstruieren vermag, der bereits einige meiner sekundären Tumore verkleinert hat, und besagten Cocktail so kunstvoll ansetzen kann, dass gewisse gemeine Nebenwirkungen minimal bleiben. Das wäre damals, als Updike sein Buch schrieb oder als Nixon seinen Krieg proklamierte, nicht möglich gewesen. Andererseits melancholisch, weil neue Spitzenleistungen der medizinischen Wissenschaft sich abzeichnen und neue Behandlungen in Umrissen sichtbar werden. Und für mich kommt das alles wahrscheinlich zu spät.
Es ermutigte mich beispielsweise, als ich erfuhr, dass es ein neues »Immuntherapieprotokoll« gibt, das Dr. Steven Rosenberg und Dr. Nicholas Restifo am Nationalen Krebsforschungsinstitut entwickelt haben. Tatsächlich ist das Wort »ermutigte« stark untertrieben – ich war überaus aufgeregt. Es ist jetzt möglich, Tumorzellen aus dem Blut zu entfernen, sie einer technischen Manipulation zu unterwerfen, dem genetic engineering , und sie dann wieder in den Körper zu injizieren, wo sie den Krebs angreifen. »Das mag sich teilweise anhören wie Science Fiction«, schrieb mir Dr. Restifo, als habe auch er Updike wiedergelesen, »aber wir haben weit über hundert Patienten mit genmanipulierten Krebszellen behandelt und über zwanzig mit genau dem Therapieansatz, der – würde ich meinen – vielleicht in Ihrem Fall anwendbar wäre.« Es gab einen Haken, und dabei ging es um zwei Faktoren. Mein Tumor musste ein Protein namens NY-ESO-1 produzieren, und meine Immunzellen mussten über ein bestimmtes Molekül verfügen: HLA-A2. Lag dies beides vor, konnte mein Immunsystem stimuliert werden, damit es sich dem Tumor widersetzte. Die Chancen sahen gut aus, insofern die Hälfte der Menschen mit europäisch-kaukasischen Genen
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