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Endlich

Endlich

Titel: Endlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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darauf, dass die Gläubigen Verbesserungsforderungen stellen. Im Lauf der Zeit wurden nach bitteren, schismatischen Streitigkeiten Praktiken wie der Ablasshandel aufgegeben. Doch manch schöner Dom, manch schöne Kapelle wäre nicht errichtet worden, wenn diese furchtbare Verletzung des Glaubensgesetzes nicht so spektakuläre Profite abgeworfen hätte.
    Und auch heute lässt es sich bei den Gebetsversammlungen der protestantischen Fundamentalisten beobachten, wie die Banknoten und Schecks durchgezählt werden, ehe der Prediger auch nur mit dem Handauflegen fertig ist. Die Calvinisten haben in mancher Hinsicht Rom als extravaganteste Spendensammler hinter sich gelassen. Und – ehe uns die Widersprüche ausgehen – für einen Calvinisten ist es doppelt absurd, sich für eine göttliche Intervention zu interessieren. Die Gründungsverfassung der Presbyterianerkirche in Philadelphia verkündete in berühmten Worten, dass »nach dem Ratschluss Gottes und zum Erweis seines Ruhmes manche Menschen und Engel dem ewigen Leben geweiht sind und andere dem ewigen Tode vorherbestimmt… ohne jede Vorsicht des Glaubens oder der guten Werke, ohne Anstrengung in diesen beiden, ohne irgendeinen anderen Umstand in der Kreatur als Vorbedingung.« Schlicht gesagt bedeutet dies, dass es keine Rolle spielt, ob die Geschöpfe versuchen, ein frommes Leben zu führen; es wäre nicht einmal bedeutsam, wenn (beispielsweise) Ihnen dies gelänge. Stets wird reine Caprice bereits darüber entschieden haben, ob Sie die himmlische Belohnung ernten dürfen oder nicht. Unter derartigen Umständen ist die Leere des Gebets noch das geringste Problem. Weit mehr noch: Es bietet die Religion, welche ihre Gemeinde als leichtgläubiges Spielzeug behandelt, ein Schauspiel, wie es grausamer kaum denkbar ist – ein Mensch ist voll Angst und Zweifel, und es wird ausdrücklich von ihm erwartet, er möge an das Unmögliche glauben. Es sollte bei den Diskussionen über das Gebet also niemand entsetzt sein, wenn wir Atheisten es sind, die zu mitleidigen Mienen neigen, wann immer ein Augenblick moralischer Krisis näherrückt.

III

Ich denke, sie sollte mal zusehen und sich einfach in die Tiefkühltruhe legen lassen, und in ein, zwei Jahren, da hat man dann sehr wahrscheinlich irgendeine Pille entwickelt, die das ganz einfach kuriert wie einen Schnupfen. Bereits jetzt, wissen Sie, dieses Kortison, aber die Ärzte sagen halt, sie wissen nicht, ob die Nebeneffekte nicht schlimmer sind. Sie wissen schon – das große K. Ich denke mir: Gehen wir das Risiko ruhig ein, den Krebs haben sie schon so gut wie im Griff, und mit diesen Transplantationen können sie bald die gesamten Innereien austauschen.
    Mr. A NGSTROM sen. in John Updikes Rabbit Redux (1971)
    Roman spielte in – wie man sagen könnte – den optimistischen Jahren der Regierung Nixon, zur Zeit des Apollo-Flugs und der Geburt jener klassischen amerikanischen Kein-Problem-Formulierung, die mit den Worten beginnt: »Wenn wir einen Mann auf den Mond bringen können …« Im Januar 1971 brachten die Senatoren Kennedy und Javits das »Den Krebs besiegen«-Gesetz ein, den Conquest of Cancer Act , und im Dezember jenes Jahres hat Richard Nixon dann etwas ganz Ähnliches unterschrieben und ihm Gesetzeskraft verliehen, verbunden mit der Zuteilung bedeutender Bundesmittel. Man sprach allgemein vom »Krieg gegen den Krebs«.
    Vier Jahrzehnte später haben sich all die anderen ruhmreichen »Kriege« – gegen die Armut, die Drogen, den Terror – zusammengetan, eine solche Rhetorik zu verhöhnen, und immer wenn man mich ermuntert, meinen eigenen Tumor »zu bekämpfen«, werde ich das Gefühl nicht los, dass es umgekehrt der Krebs ist, der Krieg gegen mich führt. Die Angst, mit der man von ihm spricht – dem »großen K« – ist immer noch beinahe abergläubisch. Ebenso die stets von neuem flüsternd beschworene Hoffnung auf eine neue Behandlung, ein neues Heilverfahren.
    In ihrem berühmten Essay über Hollywood schrieb Pauline Kael, es handele sich hier um einen Ort, wo man an lauter Zuspruch sterben könne. Das mag auf Zelluloidheim immer noch zutreffen, in Tumorhausen hat man eher das Gefühl, man könnte am schieren guten Rat krepieren. Sehr viel davon ist umsonst und wird unaufgefordert erteilt. Ich muss unbedingt ohne weitere Verzögerung anfangen, die granulierte Essenz des Pfirsichkerns (oder ist es der der Aprikose?) zu mir zu nehmen, ein wunderbares Heilmittel, das den alten Zivilisationen wohlbekannt

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