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Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xanthippe Verlag
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Flüssigkeiten entsprechen in Farbe, Textur und Geruch in etwa den beiden angeschriebenen Etiketten, nur im umgekehrten Sinne. Er zeigt ihnen die beiden Flaschen, die er vorsichtshalber in seine Tasche gepackt hat.
    «Für ein Vertauschen sprechen nicht zuletzt die Symptome des Patienten. Ich weiss, dass der Professor seit Jahren Chloralsyrup eingenommen hat. Er leidet unter Schlaflosigkeit und grosser Unruhe. Sein allgemeiner Gesundheitszustand ist trotz seiner regelmässigen sportlichen Aktivitäten nicht der beste. Wäre er ein junger Mann, dann wäre es weniger schlimm. Aber er ist immerhin schon über vierzig.»
    «Feelgood, halten Sie es für möglich, dass eine Frau, die seit längerer Zeit dieselben Medikamente verabreicht, einen Tausch der Flüssigkeiten gar nicht bemerkt? Sieht oder riecht man so etwas denn nicht?», fragt Sir Butterworth ungläubig.
    Doch Doctor Feelgood schüttelt den Kopf. Er als Fachmann könne sich zwar kaum vorstellen, wie zwei so unterschiedliche Medikamente verwechselt werden könnten. Schliesslich rieche und schmecke Chloral ganz anders als Magnesium, das fast geruchlos sei. Aber die Routine könne einem da ebenso einen Streich spielen wie es die Unerfahrenheit manchmal könne.
    «Sie müssen wissen, dass James, also Professor McGregor, jeden Abend zum Schlafen Chloral genommen hat, und immer morgens Magnesium, zur Stärkung. Da kann es einem schon einmal passieren, dass man die Medikamente verwechselt. Wenn man sich nicht jedes Mal voll darauf konzentriert, fällt der Unterschied nicht direkt auf. Oder eben erst, wenn es zu spät ist.»
    «Dennoch wäre Lady Penelope für uns eine erste verdächtige Person», folgert Kamil. «Sie müsste also befragt werden, jedenfalls sobald sie vernehmungsfähig ist. Wie sehen Sie das, Doctor? Kann man sie fragen?»
    Der Angesprochene schüttelt den Kopf.
    «Sie haben vorhin doch wohl selbst gesehen, wie apathisch sie daliegt. Vielleicht später. Ich kann Ihnen das Mädchen schicken, falls sich am Zustand der beiden etwas verändert. Sie entschuldigen mich jetzt, ich darf meine Patienten nicht zu lange aus den Augen lassen», und mit diesen Worten verlässt der Doctor das Zimmer, um nebenan nach Lady Penelope zu sehen.
    «Es scheint sich tatsächlich um einen mutwilligen Akt zu handeln», überlegt Sir Butterworth. «Jemand wollte dem Professor schaden. Aber wer? Und vor allem: Weshalb? Einer ehrenwerten Person wie ihm? Gute Familie, solide Bildung, erfolgreicher Forscher und Bergsteiger. Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Eines ist jedenfalls klar, Madam Amalia, wir müssen alle Gäste befragen. Ich schlage vor, wir fangen so bald wie möglich an. Dürfen wir Ihr Direktionsbüro dafür benutzen?»
    Amalia hat selbst schon daran gedacht und Maria gebeten, ihr Büro geeignet herzurichten. Sie schlägt vor, dass man sich dort in einer Viertelstunde trifft. Sie will nur nochmals nach den Gästen sehen. Im Saal hat sich die Aufregung nicht gelegt. Die Gäste spinnen jetzt wilde Theorien.
    «Meine Damen und Herren», setzt Amalia an, «beruhigen Sie sich bitte. Es muss alles seinen geordneten Gang nehmen. Ich bitte Sie, Ruhe zu bewahren, das erleichtert uns die Aufgabe.»
    «Wie geht es denn dem Professor?», fragt Lady Farthing.
    «Der Doctor ist oben beim Patienten, er wird uns sofort berichten, falls sich etwas tut. Der Professor ist zurzeit nicht ansprechbar, geschweige denn vernehmungsfähig.»
    «Ich höre, seine junge Frau richtet ihm die Medikamente selber?», erkundigt sich Lady Farthing.
    «Sicher, das hat sie offenbar immer so gemacht.» Amalia kann daran nichts Aussergewöhnliches finden.
    Lady Farthing wirft ihrem Neffen Duncan einen vielsagenden Blick zu.
    Amalia fühlt sich zu einer Bemerkung veranlasst:
    »Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Wir hoffen, die Sache rasch aufzuklären. Dafür sind wir jedoch auf Ihre Mithilfe angewiesen.»
    Amalia spürt neue Kräfte in ihrem Inneren aufsteigen. Sie beschliesst für sich, den Fall restlos aufzuklären. Sie muss sich um ihr Hotel kümmern, das erwartet Pierre von ihr. Sie werden die Befragungen in ihrem Büro vornehmen. Sie wird Kamil ein bisschen unter die Arme greifen dabei und dem englischen Sir auf die Finger schauen. Wer weiss, ob der nicht selber in die Sache verwickelt ist. Er hat sich jedenfalls auffällig rasch vorgedrängt.

5. Kamils erste richtige Einvernahme
    In der Réception sitzt Kamil auf der eilig herbeigeschleppten Holzbank

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