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Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xanthippe Verlag
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gar keine Ahnung?»
    «Wie sollen wir denn sonst einvernehmen? So finden wir hier jeden Holzdieb! Ihr Engländer meint immer, man müsse es kompliziert machen.»
    «Kamil, Sie schreiben, und ich führe ab jetzt die Untersuchung», befiehlt Sir Butterworth. «So geht das nicht. Madam Germanier, Sie sind doch einverstanden?»
    Amalia hat nichts dagegen einzuwenden. Kamils Methoden sind im Dorf unten ganz in Ordnung. Da weiss jeder von jedem, was los ist, und kaum etwas geschieht im Verborgenen. Hier steht nun aber der Ruf des Hauses auf dem Spiel, da muss das Prozedere stimmen, und wenn Kamil schweigt, ist es sicher weniger peinlich.
    Sir Butterworth beginnt: «Geben Sie zuerst Ihren Namen, Geburtsort und Geburtsjahr zu Protokoll.»
    «Zenger, Joachim, Graz, geboren am 3. August 1839.»
    «Wie kennen Sie Professor James McGregor?»
    «Wir sind Bergstei…»
    «Halt, nicht so schnell!», ruft Kamil.
    Sir Butterworth beobachtet irritiert, wie Kamil Buchstabe um Buchstabe aufs Papier kritzelt. Als er fertig ist, beginnt Zenger zu erzählen: Er kenne den Professor seit fünf oder sechs Jahren, sie hätten viele Bergbesteigungen miteinander unternommen und sich manchmal die Führer geteilt.
    «Soll ich das alles aufschreiben?», winselt Kamil.
    «Nein, verdammt noch mal, ich diktiere Ihnen, was Sie schreiben sollen. Schreiben Sie: ‹Bergsteigerkollegen› und ‹Bergführer gemeinsam›.»
    Kamil malt geduldig an seinen Buchstaben weiter: «BERGSTAIGER KULEG FIERER ZUSAMN.» Erst als er endlich wieder absetzt und Zenger anblickt, fährt dieser fort. Er erklärt, dass er Österreicher ist, aber englische Wurzeln hat. Sein Vater ist aus Graz, seine Mutter stammt aus Wales. Er ist schon als Kind immer in den Bergen gewesen, hat früh klettern gelernt. Die Schweizer Berge haben es ihm angetan, weil er hier mehr englische Kollegen trifft.
    «Wieso schreiben Sie nichts mehr?», fährt Sir Butterworth Kamil an.
    «Sie haben doch gesagt, Sie diktieren, ich höre zu.»
    «Na gut, fahren Sie fort.»
    «Ich will ja nichts gesagt haben», lässt sich Zenger vernehmen, «aber unser lieber James hat eine völlig falsche Vorstellung von der Bergsteigerei. Er ist ein starker Kerl, vor allem vom Willen her, im Kopf. Technisch ist er aber nicht so die Kanone. Da gibt es viel Bessere. Aber dieser Wille, ich möchte fast sagen, diese Besessenheit!
    Ich weiss noch genau, wo wir uns das erste Mal begegnet sind. Das war vor ziemlich genau fünf Jahren. Oder sechs? Ich müsste nachrechnen. Auf jeden Fall war ich auf meiner ersten Erkundungstour durch die Alpen und wollte unbedingt all die berühmten Orte sehen: Chamonix, Grindelwald, Zermatt und natürlich die Berge!: Der Mont Blanc – ich sage Ihnen, wenn Sie den Berg einmal gesehen haben, können Sie nicht anders als ihn unbedingt besteigen wollen! Der Mont Blanc ist und bleibt für mich der König der Berge! Sein makelloses Weiss, die Haube aus ewigem Schnee, wie ein Mönch aus Urzeiten erhebt dieser Berg sein Haupt! Und er lässt seinen Gletscherarm so grandios ins Tal hinuntergleiten – wie eine enorme Schärpe. Als wollte er sagen, kommt zu mir ins ewige Reich, hier oben werdet ihr unsterblich. Und man ist verhext.»
    «Hm hm», räuspert sich jetzt Kamil.
    «Ach so, wo war ich stehen geblieben. Nein, unser erstes Treffen war damals im Hotel Monte Rosa in Zermatt. Man sass jeweils zusammen mit den anderen Bergsteigern, die meisten Engländer. Das waren vielleicht lustige Abende!»
    Und Zenger schlägt laut lachend mit der flachen Hand hart auf die Tischkante. Das Tintenfass macht einen Satz, die Feder hüpft heraus, rollt über das Blatt und hinterlässt auf dem Papier eine Reihe schwarzer Tintenkleckse.
    «Können Sie nicht aufpassen!», schnauzt Kamil und versucht umständlich, das Papier zu säubern. Doch der erste Bogen ist nicht mehr zu retten, und Kamil nimmt ihn vom Stapel. Die Tinte ist aber auch in den nächsten Bogen geflossen und hat darauf kleine schwarze Flecken eingefärbt. Mit dem Daumen reibt Kamil an den Flecken herum. Doch dann steht er abrupt auf, zerreisst das verschmierte Papier und wirft es zu den Holzscheiten und Tannenzapfen in einem Korb in der Zimmerecke.
    «So kann ich nicht arbeiten!», schreit er und stürmt hinaus an die frische Luft.
    Amalias und Sir Butterworths Blicke treffen sich. Amalia zuckt die Schultern und meint: «Sie müssen entschuldigen, meine Herren, aber ich schlage vor, wir lassen ihm seinen Fendant. Hier machen sie die Befragungen immer so,

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