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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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wollten zur gleichen Zeit nach Hause zum Mittagessen. Man stopfte etwas in sich hinein, hörte dabei Radio, hastete aufs Klo und schon war man wieder unterwegs. In den meisten Familien arbeiteten beide Eltern, da war es nicht besonders lustig, am Ende eines Arbeitstages heim zu den Resten vom Mittagessen und einem Haufen schmutzigem Geschirr zu kommen, wenn eigentlich das Abendbrot an der Reihe war. Viele Firmen hatten ihre Arbeitszeiten schon geändert, die Leute wollten lieber durcharbeiten und dafür abends eher gehen. Aber diese Veränderung hatte sich noch nicht so weit durchgesetzt, dass die Straßen in Tórshavn vor und nach der Mittagspause leerer waren.
    Ich saß im Kadett und wartete, bis das Schlimmste vorbei war. Ich tat, als nähme ich Tabletten, damit die Leute glaubten, ich stünde mit Recht auf dem Apothekenparkplatz. Aber vielleicht glaubte doch niemand, dass meine Zigarette ein Wundermittel der Pharmaindustrie sei.
    Als der Verkehr auf der Straße nicht mehr ganz so dicht war, startete ich den Wagen und fuhr Richtung Norden. Ich wollte nach Eysturoy, und wenn es sich machen ließ, rauf aufs Støðlafjall. Und es schien ganz so, als ließe es sich machen – bei hohem Himmel und Sonne.
    Auf dem Weg den Oyggjarvegur hinauf blickte ich auf Tórshavn hinunter, das friedlich und still dalag und sich sonnte. Ich versuchte, so viel wie möglich von diesem Anblick in mich aufzunehmen. In diesem Jahr hatte es bisher nur wenige schöne Tage gegeben und es war nicht damit zu rechnen, dass noch viele kommen würden. Der Winter war hart gewesen, der schlimmste seit Menschengedenken, dann ein nasses Frühjahr, und jetzt ein Sommer, der wenig versprach. Aber heute war alles eitel Freude, die Stadt genoss, was der Augenblick bot, und stellte sich vor, sie könne, was das Wetter betraf, ebenso gut am Mittelmeer liegen. Draußen auf dem Fjord gab es einige Schiffe, die meisten lagen zwischen Borðan und Kirkjubønes, und ich überlegte, ob ich nicht lieber zum Fischen rausfahren sollte. Ich wusste sowieso nicht, was ich auf dem Støðlafjall wollte, und hatte auch nicht viel Hoffnung, dass die Fahrt dorthin mir etwas bringen würde, was ich nicht sowieso schon wusste. Es wäre bestimmt lustiger zu angeln, als im Gebirge herumzukraxeln.
    Während ich in der Sonne weiter Richtung Norden fuhr, wobei ich die meiste Zeit die Straße für mich allein hatte, träumte ich von Dorschen und Schellfischen, die glänzend über die Reling kamen. Als ich an der kleinen Walstation bei Air vorbeikam, hatte ich auch einen kleinen Heilbutt gefangen.
     
    Der Blick vom Støðlafjall war großartig. Der Himmel war blau und wolkenlos. In allen Richtungen ein Berg neben dem anderen, die nächstgelegenen hellgrün, um dann in die Ferne hin immer dunkler zu werden. Das Gebirge in der hintersten Reihe hatte einen bläulichen Schimmer, schattenblau. Es lag ein Hauch von Unwirklichkeit über dem Panorama, man konnte es nicht recht glauben, zu sehr sah es aus wie auf einer Postkarte. Eine sanfte Brise strich über die Ebene und ich hatte das Gefühl, als wollte dieser Windhauch bekräftigen, wie schön und still Land und Meer sich zusammenfügten. Abgesehen von einem grauen Inspektionsschiff, das in schnellem Tempo nach Norøragøta fuhr, lag die Gøtuvik glatt und unberührt. Von oben aus gesehen, aus einer Höhe von fast 600 Metern, ähnelten Bucht und Häusergruppen einer Spielzeuglandschaft, wie man sie auf größeren Bahnhöfen sehen kann. Wirf eine Krone ein und die Züge setzen sich in Bewegung. Aber hier gab es keine Möglichkeit, die Krone loszuwerden, und die Gebirge waren keine Spielzeuglandschaften, sondern hohe, steile Berge, von denen man hinunterfallen konnte. So wie Sonja Pætursdóttir.
    Die Ebene auf dem Støðlafjall war groß, man konnte bequem darauf Fußball spielen. Es wuchs etwas Gras und Moos, das Meiste war jedoch von Kieselsteinen und Schlamm bedeckt. Es gab hier auch ein kleines Haus mit einer großen Antenne, eine Transformatorstation. Sonst war es kahl. Ich ging die östliche Kante entlang und mir schien es nicht so leicht hier hinunterzufallen, aber sie war runtergefallen und ich hatte keinen Zweifel daran, dass ihr dabei jemand eine helfende Hand gereicht hatte. Andererseits konnte man hier im Halbdunkel und leicht angetrunken sicher hinunterstürzen, von daher leuchtete mir der Standpunkt der Polizei auch ein.
    Ich blieb einen Augenblick stehen und schaute die steilen Felswände hinunter, dabei fiel mir ein,

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