Endstation Färöer
doppelten Schnaps zu geben. Der Barkeeper war ein junges, blondes Mädchen, sie mochte siebzehn oder achtzehn Jahre alt sein. Warum sie hier stehen und Getränke verkaufen durfte, für die man zwanzig sein musste, um sie kaufen zu dürfen, war ein Rätsel für diejenigen, die Lust hatten, sich den Kopf zu zerbrechen. Und davon gab es nicht viele im Bierclub. Die Mitglieder waren daran gewöhnt, dass es eine Form des Gesetzes gab, die außerhalb des Hauses galt, und eine andere hier drinnen.
Auf meine Frage hin erzählte das Mädchen, dass Harald früher am Abend da gewesen, aber dann nach Hause gegangen war. Sie sollte an diesem Abend den Club schließen. Heute würde ich Harald also nicht mehr erwischen. Na, egal.
Ich blieb noch eine Weile an der Bar stehen. Trank Schnaps und sah abwechselnd im Spiegel an der Rückwand auf das Mädchen und auf mich. Ich versuchte, die Beschriftungen auf exotisch aussehenden Flaschen zu entziffern, plauderte mit Männern, die an die Bar kamen, um sich ein Getränk zu kaufen, und versuchte ansonsten, so wenig wie möglich zu denken. Das hatte ich in den letzten Tagen zur Genüge getan und was war das Resultat? Viel Lärm um nichts. Zwei Beulen erinnerten mich daran, dass ich Kontakt mit jemandem gehabt hatte, aber diese Art von Kontakt war langfristig gesehen nicht besonders spannend. Mein Kopf mochte es nicht, er wollte nicht wie ein mit Seepocken übersäter Stein aussehen.
Gut versorgt mit feuchten Waren klemmte ich mich in die Sofaecke, bereit, eine Stunde mit einer angenehmeren Freizeitbeschäftigung zu verbringen: Anekdoten zu hören und zu erzählen. Es saßen nur Männer am Tisch, und wenn man sich im Lokal umschaute, waren kaum Frauen zu sehen. Vielleicht achteten sie besser auf die Wochentage und kamen nur am Samstag? Oder waren Spiritus und Geschichten nicht genug für sie, waren sie weniger genügsam als die andere Hälfte der Menschheit? Ich beschloss, genügsam zu sein und mich zu amüsieren.
Es war fast halb zwölf, als ich eine schwere Hand auf meiner Schulter spürte. Ich drehte mich um und sah geradewegs in die Lachfalten des Unruhestifters von gestern Abend.
Bei dem Versuch, entgegenkommend zu wirken, war die Anzahl der Falten vervielfacht und der Kopf schräg gelegt worden, sodass die gesamte Körperhaltung Freundlichkeit ausstrahlte und um Verzeihung bat.
Ob er mal mit mir reden könnte.
Auch wenn ich nicht übel Lust hatte, ihn mit einer knappen Antwort abzufertigen – ich kannte es ja nicht anders von ihm –, so bin ich doch wie die meisten Menschen entgegenkommend, wenn sich jemand mit einer Bitte an mich wendet.
»In Ordnung«, sagte ich und stand auf.
Andreas-Petur Joensen, wie er laut Harald hieß, trug seine Sonntagskleidung. Einen hellgrau gestreiften Anzug, der nicht gerade dazu beitrug, seine Gesichtsfarbe gesünder wirken zu lassen, einen braun gestreiften Schlips und ein braunweiß kariertes Hemd. Der Bauch hing ihm über die Hose, verbarg den größten Teil vom Gürtel und betonte, dass der Sinn fürs Ästhetische hier nicht die Hauptrolle spielte.
»Gehen wir doch ins Fernsehzimmer im Keller, um dort zu reden. Es gibt etwas, was ich dir erzählen möchte.«
Sein Lächeln war wie in Stein gemeißelt.
»In Ordnung«, antwortete ich ein wenig skeptisch. Ich begriff nicht ganz, warum Andreas-Petur Joensen auf einmal so großes Interesse an mir hatte.
»Nun komm schon. Es dauert nicht lange.« Er schaute mich mit einem kriecherischen, bittenden Gesichtsausdruck an.
»Ich habe doch Ja gesagt«, erwiderte ich etwas ungeduldig.
»Was willst du trinken?« Andreas-Petur ging mit auswärts gestellten Füßen und Hängearsch zur Bar hinüber.
»Einen doppelten Gin Tonic?«
Ich sagte Ja und wir gingen mit unseren Getränken die Treppe hinunter.
Der Fernsehraum war leer und es standen genügend Sessel zur Verfügung. Der dunkelbraune Samt passte gut zur Kleidung meines neuen Freundes. Leider trug er schwarze Schuhe dazu. Sie hätten braun sein sollen, dann wäre das unästhetische Gesamtbild perfekt gewesen. Wir setzten uns in eine Ecke.
»Du fragst dich vielleicht, was ich von dir will«, begann er. »Das ist ja auch nicht verwunderlich, schließlich habe ich dich ja schon ein paarmal geärgert. Aber das war nicht böse gemeint. Nimm’s nicht persönlich.« Er hob sein Glas, das Licht brach sich in den Eiswürfeln. »Prost!«
Wir tranken.
»Das gestern Abend war wirklich nicht böse gemeint, und ich weiß, du hast es auch nicht so
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