Endstation Färöer
leuchtete, ergriff das Rad an der Lukenklappe und versuchte sie zu öffnen, aber es rührte sich nichts.
Eine andere Möglichkeit hineinzukommen, gab es nicht, und ich hatte auch keine Lust, es zu versuchen. Die Situation verlangte von mir nicht gerade wenig Courage. Es ist vielleicht spannend zu lesen, wie jemand in totaler Finsternis auf ein Geisterboot klettert – es selbst zu tun, ist hingegen reichlich furchteinflößend. Wenn ich die Luke nicht in Kürze aufbekommen sollte, würde ich zurück nach Eiði fahren und nach jemandem telefonieren, der mir helfen könnte. Wer das sein sollte, wusste ich nicht. Am besten Harald, aber der lag im Krankenhaus, und Karl, die andere Möglichkeit, wollte ich im Augenblick lieber nicht zu nahe kommen. Duruta vielleicht? Na, das würde sich schon zeigen.
Ich benötigte eine Eisenstange oder Ähnliches, um es als Brechstange zu benutzen, oder einen Kuhfuß, um das Rad drehen zu können. Auf der Brücke gab es nichts und zum Heck hin stieß die Lampe auch auf nichts. Es sah nicht so aus, als wäre irgendetwas an dem Boot gemacht worden, nachdem man es in die Grotte manövriert hatte – die Götter mochten wissen, wie sie es angestellt hatte –, so ordentlich, wie es überall aussah. Keine Sachen, kein Werkzeug, überhaupt nichts. Es wirkte reichlich mystisch.
Ich musste das Gewehr holen.
Etwas später, mit dem Gewehr als Brecheisen, versuchte ich mit aller Kraft, das Rad aus seiner festgefahrenen Position herauszukriegen. Hoffentlich würde Harald nie erfahren, wozu ich sein russisches Kleinod missbraucht hatte. Die Schrammen am Lauf würde ich hoffentlich wegputzen oder überdecken können.
Langsam, ganz langsam bewegte das Rad sich, zunächst nur ein paar Millimeter, aber nach und nach bekam es Schwung und bald brauchte ich das Gewehr nicht mehr.
Als ich die Lukenklappe anhob, stieg mir schwere, abgestandene Luft in die Nasenlöcher, aber sonst nichts. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber auf der Brücke eines mehrere hundert Tonnen schweren U-Bootes in einer färöischen Grotte zu stehen und in die Lukenöffnung hineinzuleuchten, das mach ich auch nicht alle Tage.
Ich beschloss, dem Licht in die Finsternis zu folgen.
40
Es war mühsam, die schmale Leiter hinunterzuklettern, und die Lampe, die an meinem Hals hing und hin- und herschaukelte, ließ die Umgebung ungemütlich und gespenstisch erscheinen. Die Schatten wuchsen und verschwanden wieder und die Reflexe von Glas und Metallgegenständen bereiteten mir auf dem Weg die Metallleiter hinunter diverse Schrecksekunden. Endlich fühlte ich den Schiffsboden unter den Füßen und konnte mich umsehen. Ich war von Rohren, Ventilen, Handrädern, Unmengen von Messgeräten hinter Glas und grünen und roten Kabeln umgeben. Einige der Messgeräte enthielten Flüssigkeit wie bei einer Wasserwaage und sicher aus dem gleichen Grund. Ansonsten war es hier nicht besonders eng, das musste also die Kommandozentrale des U-Bootes sein, der Raum, von dem aus alles gesteuert wurde. Mitten im Raum, vom Boden bis in den Turm hinein, stand eine dicke Metallsäule. Die Periskope.
An beiden Enden des Raums gab es Schotten, aber nicht senkrecht wie auf einem Schiff. Diese hier hatten die Form von Halbkugeln, und als ich die hinterste anfasste, öffnete sie sich ohne Widerstand, aber mit einem Quietschen, das die Nervenenden so strapazierte, dass ich am ganzen Körper zitterte.
Die Stille danach war vollkommen und konkret, sie legte sich über mich, wollte mich umschlingen. Es war auch kalt, kaum mehr als sechs oder sieben Grad, und ich zog den Reißverschluss meiner Steppjacke bis oben hin zu. Ich wappnete mich gegen die Umwelt.
Auf der anderen Seite des Schotts befand sich die Mannschaftskajüte mit Kojen auf beiden Seiten. Auf einem Klapptisch mit hohem Rand standen vier Teller und drei Becher, und als ich mit den Fingerspitzen über einen Teller strich, konnte ich unter einer Staub- und Ölschicht die Reste der letzten Mahlzeit an Bord fühlen.
Die schmierige Schicht bedeckte das gesamte Bootsinnere und ließ es trübe erscheinen.
Auf den Kojen lagen kleine Reisetaschen, ich zählte vier, und an ihrer Form konnte man erkennen, dass sie gut bepackt waren. Mehrere Paar große U-Boot-Stiefel guckten unter den unteren Kojen hervor. Ich leuchtete darunter, aber außer den Stiefeln war da nichts.
Unter dem Tisch erfasste das Licht den vierten Becher.
Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter, als mir klar wurde, was ich hier
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