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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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entdeckten. Die Einbuchtung verdeckte sie so, dass man sie erst sehen konnte, wenn man direkt davor war.
    Je näher ich dem U-Boot kam, umso größer wurde es, und als ich auf dem Sandstrand stand und auf eines der vordersten Tiefenruder schaute, das wie die Flosse eines Fisches aussah, fühlte ich mich fast wie ein Liliputaner in der Geschichte von Gulliver. Ein Stück vom Boot entfernt ragte ein Felsen aus dem Sand, ich legte die Tasche darauf und lehnte das Gewehr daran, während ich mich umsah. Abgesehen von den Knochenresten gab es kein Anzeichen von Seehunden, also würde ich im Augenblick die Waffe kaum brauchen.
    Ich hatte U-Boote bisher nur auf Fotos gesehen und war überrascht, wie wenig stromlinienförmig der Schiffskörper war, er wirkte wie aufgedunsen. Keine eleganten Linien, wie wir sie von den Schiffen kennen, sondern plumpe Beulen und Ausbuchtungen im Metall, Löcher verschiedener Größe, Öffnungen und geschlossene Luken, und unter dem Heck des Schiffskörpers konnte ich das hinterste Tiefenruder erahnen, von der Form eines verkürzten Flugzeugflügels.
    Die Taschenlampe half in der Dunkelheit nicht viel und ich fühlte mich wie ein Grabräuber in einem Mausoleum und erwartete jeden Augenblick, dass eine strenge Stimme sagen würde: »Was tun Sie da?«
    Aber das Einzige, was zu hören war, war das leise Flüstern der Wellen und ein weit entferntes Donnern von den Klippen. Ab und zu fiel ein Tropfen.
    Ganz vorn auf dem Boot, etwas tiefer an der Seite, stand eine runde Luke offen und ich leuchtete hinein, sah aber nur Stahlwände und irgendetwas, was dahinter hervorragte. Wahrscheinlich eines der Torpedorohre, so groß, dass ein Mann hindurchkriechen konnte. Meine Kenntnisse über U-Boote waren äußerst bescheiden, sie stammten wie mein Wissen über so vieles andere vor allem aus Büchern. Aber ich glaubte, mich daran zu erinnern, dass ein U-Boot mehrere Torpedorohre hatte und dass sie auch als Notausgänge benutzt wurden.
    Meine Lust, diesen Weg auszuprobieren, war nicht besonders groß, stattdessen suchte ich etwas, worauf mein Fuß Halt finden könnte, damit ich aufs Boot käme. An der Steuerbordseite war eine schmale Leiter an der Schiffswand angeschweißt und die kletterte ich hinauf.
    Als ich an Deck gekommen war, blieb ich einen Moment stehen und ließ die Lampe über das Boot gleiten. Vom Vordersteven aus gesehen wirkte das U-Boot lang und schmal. Über die ganze Länge, so weit mein Blick reichte, erstreckte sich ein flaches Holzdeck, also ging ich weiter nach hinten.
    Allein in einer Grotte mit einem Kriegsunterseeboot, das hier wahrscheinlich seit über vierzig Jahren lag, verstärkte das Gefühl von Unwirklichkeit. Das war eine Traumwelt, und auch wenn ich mir klar darüber war, dass ich wach und munter war, wusste ich doch, dass ich in dieser Welt nichts zu suchen hatte. Und dass diese Welt gefährlich war.
    Und im gleichen Augenblick wurde mir bewusst, dass ich mich seit dem Zeitpunkt, als ich im Flugzeug auf dem Weg zu den Färöern gesessen hatte, in dieser Welt befunden hatte, und es gab nur einen einzigen Weg hinaus und dieser führte durch Fegefeuer und Verderben.
    Ich ging weiter und meine Schritte klangen ungefähr so diskret wie Stöckelschuhe auf einem Marmorfußboden.
    Die plumpe Kanone hatte einen Pfropfen im Rohr, also war das Boot wohl kaum in einen Kampf verwickelt gewesen, bevor es hier gelandet war.
    Am Turm gab es ein paar abblätternde und verblassende Reste schwarzer Farbe auf dem Grau. Man konnte noch ein gewaltiges Ungeheuer mit aufgerissenem Maul, abstehenden Haaren, spitzen Zähnen und erhobenen Vorderpranken mit Krallen erkennen. Der Name des U-Bootes war wohl Troll oder so ähnlich. Das passte gut zu der pechschwarzen Dunkelheit, die den gesamten Raum erfüllte, abgesehen von den Flecken, die ich in meiner grenzenlosen Gnade vom Lichtstrahl erhellen ließ. Eine Sekunde lang durchfuhren die Ritter aus Krieg der Sterne, Ben Obi-Wan Kenobi und Darth Vader, und ihr leuchtendes Schwert meinen Kopf, aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, sich in Fantasien zu verlieren.
    Von der Brücke aus war die Aussicht gut – immer begrenzt von dem Radius meiner Lampe –, nichts war im Weg, weder Masten noch Decksaufbauten. Die Brücke selbst war geräumig, fast wie ein kleiner Tanzboden, abgesehen von den Periskopzylindern, die aus dem Boden emporragten. In der Mitte der vorderen Hälfte gab es eine Luke hinunter ins Boot.
    Ich legte die Lampe so hin, dass sie auf die Luke

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